Otto Molden: "In Alpbach heißen alle Moidl"

Eine Gruppe von Menschen sitzt und applaudiert bei einer Veranstaltung.
Erinnerungen an Otto Molden, der vor 70 Jahren das Europäische Forum Alpbach gründete.

1945, wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs, gründete der Widerstandskämpfer Otto Molden, gemeinsam mit dem Philosophiedozenten Simon Moser das Europäische Forum Alpbach. Seine Mutter, Paula Preradović, verfasste 1946 die österreichische Bundeshymne. Aus Anlass des 70-Jahr-Jubiläums des Forums, das sich gegenwärtig mit dem Thema "UnGleichheit" beschäftigt, blickt Koschka Hetzer, die zweite Frau von Otto Molden, zurück.

1973 bin ich zum ersten Mal zum Europäischen Forum Alpbach gefahren, um Generalintendant Gerd Bacher zu sprechen. Er hatte mich als Moderatorin der ORF-Kultur rausgeschmissen. Die Hamburger Morgenpost schrieb dazu: "Gefeuert, weil sie Hochdeutsch spricht – Hamburgerin passt nicht in Österreichs Fernsehen".

In Alpbach konnte ich Bacher nicht sprechen, stattdessen kam ein Herr auf mich zu und fragte: "Gnädige Frau, ich sehe Sie hier zum ersten Mal." Zehn Jahre später haben wir geheiratet. Es war Otto Molden. Genau genommen verdanke ich das Gerd Bacher, der mir später seine Freundschaft angeboten hat.

Viel Geld hatten wir nicht, als wir Ende 1981 in eine Wohnung in Wien-Penzing gezogen sind. Ich hatte gerade erst einen festen Vertrag im ORF bekommen, Otto Molden musste einen "Ausgleich" für eine Firmenbeteiligung zurückzahlen, lange Jahre. Im März 1984 dann der Heiratsantrag.

Heiratsantrag? Otto Molden, einen Stoß von Papieren im Arm, kam ins Zimmer und fragte beiläufig: "Ich muss meine Papiere ordnen. Wollen wir nicht heiraten? Was machst du am 29. Juni?" Ich versuchte, ebenso beiläufig zu sein. "Ich glaube, da habe ich einen Termin beim Friseur." Zwei Monate später wurden wir im Amtshaus Wien Hietzing getraut.

18 Jahre später musste ich genau dort, nur ein Zimmer weiter, den Tod von Otto Molden melden. Mein Mann ist am 15. Juni 2002 in einem Schwimmbad in Paphos beim Schwimmen eingeschlafen und ertrunken. Durch seine jahrelangen Ostasienreisen – er war Europa-Berater von Tschiang Kai-shek – litt er stark unter Jetlag und wurde schlaftablettensüchtig. Entziehungsversuche haben nichts genutzt. Per Fließband kam seine Leiche am Wiener Flughafen an.

Ein Fenster zur Welt

Zum 70-Jahr-Jubiläum des "Europäischen Forum Alpbach" ist soeben im Studien Verlag ein Buch unter dem Titel "Ein Fenster zur Welt" erschienen. Die Historikerin Maria Wirth schildert die Entstehungsgeschichte dieses außerordentlichen Experiments eines geistigen Brennpunktes in einem kleinen Dorf in Tirol.

Nichts ist vergleichbar, aber ich kann mich gerade heute in die Situation jener 80 Teilnehmer aus verschiedenen, noch vor Kurzem verfeindeten Ländern versetzen, die wenige Wochen nach Ende des Weltkriegs versucht haben, freundschaftlich miteinander umzugehen und über ein neues Europa zu diskutieren – während in diesem Europa Millionen von Flüchtlingen noch keine neue Heimat gefunden hatten.

Dieser Entstehungsgeschichte folgen Schilderungen auch der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschichte Österreichs bis ins Jahr 2015. Und die Seminarleiter und Vortragenden? Ein Who’s who aus Philosophie, Kunst und Kultur, Wirtschaft und Politik, Gäste aus aller Welt.

Keine Bergakademie

Männer haben 1945 dieses Forum gegründet. Wobei Otto Molden und Simon Moser unterschiedliche Konzepte anstrebten. Molden dachte an eine "Gemeinschaft freier europäischer Intellektueller", während Moser sich eine "Bergakademie als gesunde und geistige Männerangelegenheit" vorgestellt hat. Ganz so schlimm ist es nicht gekommen. Dennoch haben Frauen beim Forum nie einen großen Einfluss gehabt. Die Führungskreise waren fast bis zuletzt männlich besetzt, und auch in den Arbeitskreisen blieben Referentinnen lange Zeit die Ausnahme. Am ehesten waren Frauen in der Kunst vertreten. Im Büro des Chefs arbeiteten allerdings nur Frauen. Und die "Töchter" in der Bundeshymne? Ich glaube, das war Otto Molden egal. Jedenfalls in englischer Sprache. Gemeinsam haben wir übersetzt: "You Country of great Sons and Daughters".

Nach seinem Rücktritt als Präsident ist Otto Molden von seinem Haus aus am Rossmoos nicht mehr oft ins Dorf gefahren. Es war ihm fremder geworden. Bei den Eröffnungen stand er oftmals irgendwo in der Menge. So schnell beginnt eine neue Zeit … Die Alpbacher Bevölkerung aber begrüßte "ihren Otto" wie immer herzlich. Der wiederum begrüßte alle Alpbacherinnen mit "Moidl". Als ich meinen Mann darauf aufmerksam machte, dass unmöglich alle Alpbacher Frauen den Namen "Moidl" tragen können, meinte er nur: "Doch, in Alpbach heißen alle Moidl."

Vielleicht war "Moidl" für ihn aber eine Art von Kosewort. Denn alle Moidls scheinen sich über seine Begrüßung gefreut zu haben.

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