Operetten-Kritik: Linz wird in ungarisches Rot-Weiß-Grün getaucht

Das Genre Operette ist nicht verstaubt oder gar tot. Zumindest nicht in Linz. Wie viel Freude eine hinreißende, kluge Inszenierung der Operette „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kálmán bereiten kann, ist derzeit im Landestheater Linz zu erleben.
Ohne symbolistische Verfremdungen spielt sie dort, wo sie spielen soll, in einem ungarischen Schloss. Kalman, der Mitbegründer der „Silbernen Operette“, liefert einen üppigen Melodienreigen, der auch seine „Czardasfürstin“ übertrifft. Eine Mischung aus nostalgischer Walzerseligkeit und glühender Melancholie.
Wo wohnt die Liebe?
Das Werk wurde 1924 im Theater an der Wien uraufgeführt. Der Plot von Julius Brammer und Alfred Grünwald, die auch das Libretto schrieben, ist der „Lustigen Witwe“ nicht unähnlich : Die reiche Adelige Mariza sucht die Liebe ihres Lebens. Ihr Auftrittslied ist bezeichnend „Wo wohnt die Liebe? Wer kanns mir sagen? Wen soll ich fragen?“ Sie findet sie nach einigen Verwicklungen am Schluss, wie es sich gehört – zumindest in einer Operette!
Regisseur Thomas Enzinger, der auch das Lehár Festival in Bad Ischl leitet, ist ein erfahrener Spezialist für musikalisches Unterhaltungstheater. Er weiß genau, wie man solche Werke inszenieren muss und wie er sein Publikum in knappe drei Stunden Sorglosigkeit entführt. Viele intelligente Ideen sind zu bestaunen. Personenführung ist Enzingers Spezialität.
Die dänische Sopranistin Carina Tybjerg Madsen ist nicht die Idealbesetzung der Mariza, ihr fehlt das Quäntchen Paprika für die Rolle, sie fügt sich aber homogen ins Ensemble. Ihre Stimme hat eine gute Mittellage, darüber hinaus wirkt sie etwas überfordert.
Guter Gutsverwalter
Der slowakische Tenor Matjaž Stopinšek hingegen ist ein Glücksfall für das Landestheater. Mit strahlenden Höhen und Leichtigkeit im Gesang spielt er den Part des Gutsverwalters mit beeindruckender Souveränität. Eine seltene Ausnahmeerscheinung. Dirigent Marc Reibel ist ein hervorragender Kapellmeister, der das exzellente Brucknerorchester mit viel Schwung und Präzision leitet.
Der Chor des Theaters ist bestens einstudiert, die Choreographie ist ideenreich. Als Höhepunkt ist im zweiten Akt der Charleston aus Kálmáns „Die Herzogin aus Chicago“ für die spielfreudigen Tänzer eingefügt.
Abgesehen von wunderbaren Melodien, wozu wird Operette heute gespielt ? Vielleicht für die unausgesprochene Sehnsucht ihres Publikums. Mariza: „Einmal das Herz in toller Lust verschenken, küssen, küssen und nicht denken! Einmal nur glücklich sein!“Markus Spiegel
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