Österreichs Kunstrückgabe: Ein Überblick

Ein Besucher betrachtet Gustav Klimts „Adele Bloch-Bauer I“ in einer Ausstellung.
1998 wurde nach großem öffentlichem Druck Österreichs Kunstrückgabegesetz verabschiedet. Seitdem ist viel passiert, beendet ist der Prozess nicht.

1998 war ein Schlüsseljahr für die Diskussion um die Rückgabe von NS-Raubkunst - international, besonders aber in Österreich: Die Beschlagnahme der Egon Schiele-Gemälde „Bildnis Wally“ und „Tote Stadt III“, die als Leihgaben des Leopold Museums im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt worden waren, löste eine hoch emotionale Debatte aus.

Umdenken

Gleichzeitig lenkten Journalisten und Historiker den Blick auf zahlreiche andere Meisterwerke problematischer Provenienz, die sich noch in heimischen Museen befanden. Immer wieder kam dabei eine verwerfliche Praxis des Denkmalamtes nach dem Krieg zur Sprache: Oft wurden zwar enteignete Werke emigrierten Sammlern zugesprochen, aber mit einem Ausfuhrverbot belegt. Damit die Vertriebenen zumindest einen Teil ihrer Besitztümer an ihren neuen Wohnort konnten, mussten sie andere Werke der Republik überlassen.

Das Kunstrückgabegesetz, das im Dezember 1998 erlassen wurde, ermöglichte schließlich, den Leidtragenden dieser Praxis auch ihren „abgepressten“ Besitz zukommen zu lassen – vorausgesetzt, die Kunst war „unentgeltlich“ in den Besitz der Republik gekommen. Das Gesetz erfasst auch entzogene Kunstwerke, auf die die Rückstellungsgesetze der Nachkriegszeit nicht mehr anwendbar waren oder die – wegen dem Tod der Vorbesitzer – als „herrenloses Gut unentgeltlich in das Eigentum des Bundes übergegangen sind.

Das Kunstrückgabegesetz legte auch einen Modus zur Prüfung und Beurteilung der Fälle fest: Provenienzforscher des Bundes prüfen seither die Herkunftsgeschichten der Museumsbestände und erarbeiten Dossiers, die dann von einem Beirat beurteilt werden. Dieser Beirat empfiehlt wiederum dem bzw. der für Kunst und Kultur zuständigen Minister bzw. Ministerin, ob ein Werk zurückzugeben ist oder nicht. Dieser ist dazu ermächtigt – aber nicht verpflichtet – die Rückgabe zu veranlassen. Ein Ausfuhrverbot gilt für restituierte Kunstgegenstände nicht mehr.

"Wesentlich mehr als angenommen"

Bereits im zweiten Restitutionsbericht 1999/2000 musste festgestellt werden: „Es handelt sich dabei um wesentlich mehr Fälle als ursprünglich angenommen“. Ein Zwischenbericht im Jahr 2008 sprach von rund 10.000 Gegenständen, die vom Beirat zur Rückgabe empfohlen wurden – den spektakulären Fällen von Klimt- und Schiele-Gemälden standen ungleich mehr kleinere Kunstobjekte, Bücher und Dokumente gegenüber, deren materieller Wert gar nicht besonders hoch war.

Dass das Gesetz von 1998 nur Gegenstände erfasste, die „unentgeltlich“ in Bundeseigentum gelangt waren, wurde von den befassten Experten bald als Schwachstelle erkannt. Denn auch wenn die Republik den einst enteigneten Sammlern Geld für ihre Werke zahlte, änderte das nichts an der Zwangssituation: Da die betreffenden Kunstwerke ohnehin nie eine Ausfuhrbewilligung bekommen hätten, hatten die einstigen Besitzer gar keine andere Wahl, als dem Bund ihre Kunst zu überlassen. In diesem Sinn macht es juristisch auch keinen Unterschied, ob der bezahlte Kaufpreis „angemessen“ war oder nicht.

Die Novelle von 2009

In der novellierten Fassung des Gesetzes, die am 21.10.2009 im Parlament beschlossen wurde, fehlt nun der Zusatz „unentgeltlich“. Zudem sind nicht mehr nur „Kunstgegenstände“, sondern auch „sonstiges bewegliches Kulturgut“ in Bundesbesitz vom Gesetz erfasst - Voraussetzung, dass rückgabefähige Werke in Bundesmuseen inventarisiert sein mussten, entfiel. Zudem sind nun auch jene Werke erfasst, die sich zwar in österreichischem Bundesbesitz befinden, aber zur NS-Zeit außerhalb des heutigen österreichischen Staatsgebiets geraubt wurden.

Seitdem wurden zahlreiche Werke restituiert, die nach dem Krieg entgeltlich von der Republik erworben wurden. Die einst bezahlten Beträge müssen von den Erben im heutigen Wert zurückerstattet werden. In vielen Fällen – der Beethovenfries ist dabei sicher das prominenteste Beispiel - ist freilich schwer zu eruieren, inwiefern eine „Zwangslage“ dazu geführt hat, dass ein Kunstwerk in Bundesbesitz landete.

Viele Bundesländer erließen seit 1998 Bestimmungen zur Kunstrückgabe, die sich an dem Gesetz des Bundes orientieren. Im Detail bestehen jedoch zahlreiche Unterschiede.

Sonderfall Leopold Museum

Das Leopold Museum, dessen Schmuckstück „Bildnis Wally“ die Restitutionsdebatte maßgeblich mit bestimmt hatte, blieb von dem Gesetz allerdings unberührt. Zwar wurden zahlreiche Gutachten erstellt, die eine Ausdehnung des Kunstrückgabegesetzes auf die „Leopold Museum Privatstiftung“ – so der genaue Name der Trägerinstitution – befürworteten oder widerlegen, der Ton der Dabatte war über 10 Jahre lang äußerst rau. Letztlich aber blieb es bei der Einsicht, dass die Privatstiftung als Eigentümer der Sammlung nicht „Bundeseigentum“ sein kann – auch wenn die Stiftung unter maßgeblicher Beteiligung des Bundes errichtet wurde und Vertreter des Bundes im Vorstand sitzen.

2008 wurden schließlich unabhängige Provenienzforscher zur Sichtung der Bestände im Leopold Museum bestellt, seit 2010 beurteilt ein Gremium – nach dem Vorsitzenden, Ex-Justizminister Nikolaus Michalek, auch „Michalek-Kommission“ genannt, die Forschungsergebnisse, analog zum Rückgabebeirat des Bundes. Der Unterschied: Das Gremium kann nur festhalten, dass ein Werk zurückzugeben „wäre“, wenn das Leopold Museum dem Kunstrückgabegesetz unterläge.

Eine Bleistiftzeichnung einer liegenden, bekleideten Frau mit angewinkelten Beinen.
LOS 7 PROPERTY FROM THE LEOPOLD MUSEUM, VIENNA EGON SCHIELE 1890 - 1918 AM RÜCKEN LIEGENDES MÄDCHEN MIT ÜBERKREUZTEN ARMEN UND BEINEN (GIRL LYING ON HER BACK WITH CROSSED ARMS AND LEGS) signed Egon Schiele and dated 1918 (lower right) black crayon on paper 44.4 by 29.3cm. 17 1/2 by 11 1/2 in. Executed in 1918. SCHÄTZUNG 700,000-1,000,000 GBP
Die Stiftung selbst erwachsen aus den Beschlüssen keine rechtlichen Verpflichtungen, man beteuert aber, nach „fairen und gerechten Lösungen“ im Sinne der Washingtoner Prinzipienzu streben. Im Fall des Leopold Museums bedeutete das, Vergleiche mit Erben einstiger Besitzer zu finden. Dafür brachte das Museum substanzielle Opfer: 2011 wurde das Schiele-Bild „Häuser mit Bunter Wäsche“ zugunsten des „Bildnis Wally“ um 27,63 Millionen Euro versteigert; im Februar 2013 versteigerte man drei Schiele Blätter um insgesamt 16,29 Millionen Euro, um sich mit Erben im Fall „Häuser am Meer“ zu einigen. Auch andere prominente Fälle wurden auf diese Weise geklärt, die Erforschung der Bestände dauert jedoch an.

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