Norrington: Unterhaltung im besten Sinn

Nachdem sich der britische Maestro am Freitag im Wiener Konzerthaus den Weg durch das Orchester gebahnt, der Konzertmeisterin Marieke Blankestijn einen Handkuss gegeben und sich in aller Ruhe vor dem Publikum verbeugt hatte, konnte das Musikprogramm beginnen: zwei Symphonien Joseph Haydns als Eckpfeiler, dazwischen fünf Goethe-Vertonungen Franz Schuberts in der Orchesterfassung von Max Reger.
Die Sitzordnung des hervorragend spielenden Chamber Orchestra of Europe ist ungewohnt: drei Reihen im Halbkreis positioniert, viele Mitglieder sitzen einander fast gegenüber. Die Bläser sind in der hintersten Reihe zu finden, dazwischen "verstreut" die Kontrabässe (Philharmoniker Herbert Mayr inklusive). Das Ganze erinnert an einen intimen, in sich geschlossenen Zirkel. Sir Roger Norrington ist in der Mitte des Geschehens und nicht diesem vorstehend. Man sollte es zumindest einmal erlebt haben, wie der 78-Jährige Impulse gibt, verschmitzt-fröhlich animiert.
Haydns G-Dur-Symphonie "Surprise" (besser bekannt als "Mit dem Paukenschlag") erhält ihrem Beinamen gemäß durch die überraschende Drehung Norringtons ins Auditorium beim Abwinken noch eine zusätzliche Komponente. Ein Unterhalter im besten Sinn! Das ist auch die Mezzosopranistin Michelle Breedt, die "Gretchen am Spinnrade", die "Gesänge des Harfners" und vor allem den "Erlkönig" eindringlich zu erzählen verstand.
KURIER-Wertung: **** von *****
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