Die Opfer verweigern sich

No Sacre“ heißt es bei Ismael Ivo und seiner Grupo Biblioteca do Corpo zum Abschluss von ImPulsTanz im Odeon (Vorstellungen bis 11. 8.). Keine Menschenopfer mehr, wie sie der Komponist Igor Strawinsky und der Choreograf Vaslaw Nijinsky für die Pariser Uraufführung vor 100 Jahren erfanden.
Zum ersten Mal choreografiert der aus Brasilien stammende Tänzer, Choreograf und Mitbegründer von ImPulsTanz für die von ihm gegründete Grupo Biblioteca del Corpo: 24 junge Tänzerinnen und Tänzer, die vom charismatischen Lehrer ausgebildet wurden. Mangelnde Bühnenerfahrung macht Ivo mit der Betonung ihrer spezifischen Begabungen wett. Er lässt sich auf Gedanken und Inhalte ein, die seine Studenten bewegen.
„No Sacre“ beginnt mit einem Prolog zu Andreas Bicks Kompositionen „Honey Scene“ und „Insect Invasion“. Mit Elan halten die Performer Einzug ins Odeon.
Vulkane
Die Musik greift Geräusche von Naturereignissen wie schmelzende Gletscher oder ausbrechende Vulkane auf. Die Tänzer reagieren mit durch Vulkanopfer inspirierten, deformierten Posen, stellen ihre Rücken zur Schau, formieren sich zu athletischen Menschenketten.
Zu Strawinskys „Sacre“ schuf Ivo eine bacchanalische Choreografie mit vielen Anforderungen von Ballett und zeitgenössischen Tanz bis zu Akrobatik. Neben der großen Form treten einzelne Tänzer in kurzen Soli aus der Masse, verbreiten eine ästhetisierte Form von Ausgelassenheit und Chaos. Nijinsky wird zitiert, zum einen durch das von seinem „Sacre“ bekannte, archaisch anmutende Stampfen, zum anderen mit der Rolle des Fauns.
Was die jungen Tänzer hauptsächlich beschäftigt, ist der auch in Texten, die einen Bruch mit der Musik bringen, angesprochene „ewige Streit zwischen Mann und Frau“. In einem sind sie sich einig: In die Rolle eines Opfers möchte sich niemand fügen. „No Sacre“ gastiert anschließend in São Paulo.
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