Nine Inch Nails mit Mut, Wut und Depressionen live in Wien

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Industrial-Pionier Trent Reznor lieferte eine großartige Show, die keine großartigen Show-Effekte brauchte

Irgendwann im letzten Drittel der Show spricht Trent Reznor doch noch etwas mehr als „Thank you“ zu seinen Fans in der knallvollen Wiener Stadthalle: „Es gibt Tage, an denen mich überwältigende Angst und Depressionen umzingeln. Heute war so ein Tag. Aber es fühlt sich so verdammt gut an, hier zu stehen und mit euch in Kontakt zu kommen.“

Dem Publikum geht es ähnlich. Elf Jahre waren Reznor und seine Band nicht in Wien gewesen. Er und sein hier als Keyboarder mit ihm auf der Bühne stehender Freund Atticus Ross komponierten lieber viel Filmmusik, bekamen zwei Oscars dafür. Jetzt aber hat Reznor wieder Lust auf die großen Bühnen – sicher nicht nur, weil das zumindest für zwei Stunden die Depressionen vertreibt.

Intensiv

Denn an der Energie, die Nine Inch Nails in die Stadthalle schicken, ist zu hören, mit welcher Leidenschaft der 60-Jährige das Musikmachen immer noch betreibt. Und das gilt besonders für die intensiven Momente, wenn er sich zu Beginn ans Klavier setzt, solo das traurige „Right Where It Belongs“ singt und „Ruiner“ vom Durchbruchsalbum „The Downward Spiral“ genauso beginnt – auf Platte eine typische Industrial-Nummern, die dämonisch tickenden Rock mit elektronischen Klängen fusioniert, die wie Maschinengeräusche klingen.

All das spielt sich auf einer kleinen Bühne in der Mitte der Halle ab. Nach drei Songs wechselt Reznor auf die Hauptbühne, während der brillante Drummer Ilan Rubin dort soliert, aber nur als Projektion auf einem die Bühne umspannenden Netzvorhang zu sehen ist.

Der bleibt auch eine Weile hängen, und während weiter drauf projiziert wird, sieht man die Band dahinter mit „March Of The Pigs“ einen ersten Hit anstimmen.

Auch 30 Jahre nach seinem Entstehen hat dieser Sound nichts an Faszination eingebüßt. Wenn eine leise Stelle von einer wütenden Attacke kreischend-verzerrter Gitarren zerrissen wird, kribbelt die Gänsehaut, wirkt die Kombination immer noch äußerst mutig.

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Techno-Teil

Ebenfalls mutig: Reznor blieb nicht auf diesem Erfolgsrezept kleben, baute Elemente aus Synthiepop oder Drum and Bass ein, ließ eingängigere Melodien und komplexe Rhythmen einfließen.

Das hört man im Mittelteil bei „The Lovers“ oder „Copy Of A“ und dem wieder auf der Mittelbühne gespielten Teil, für den Reznor drei seiner Songs in Techno-Versionen spielt – zusammen mit Boys Noize, einem deutschen DJ, der für die Tour das Vorprogramm bestreitet.

Aber es sind nicht nur die Vielfalt der Musik und der glasklare Sound (essenziell bei all den gewollten Verzerrungen), die hier ein beeindruckendes Konzerterlebnis schaffen. Auch bei der Show stellt sich Reznor gegen Konventionen. Es ist längst zum Standard geworden, bei Hallenkonzerten mit riesigen LED-Wänden aufzufahren. Nine Inch Nails dagegen kommen mit einem durchsichtigen Netzvorhang, ein bisschen buntem (aber meist nur weißem) Licht und hervorragend gestalteten Projektionen auf diese Vorhänge aus.

Das wieder akustisch vorgetragene „Hurt“, das Johnny Cash in seiner zu Tränen rührenden Version kurz vor seinem Tod weltberühmt gemacht hat, schließt ein tolles Konzert würdig ab.

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