Neues von Christina Aguilera: Kampfsingen um den nächsten Stream

Neues von Christina Aguilera: Kampfsingen um den nächsten Stream
Christina Aguilera hat ihr neues Album veröffentlicht. Und daran lässt sich gut ablesen, wie es um den Pop steht.

Sechs Jahre ist das letzte Album von Christina Aguilera her; kaum je hat sich das Business in einer derartig kurzen Zeitspanne so radikal gewandelt. Liberation nun ist das erste Aguilera-Album im Streamingzeitalter.

Und es reagiert darauf genauso ängstlich wie große Teile des Pop.

Alben sind immer mehr Bausteinangebote für den Streamingdienst: Immer weniger hören eine Songzusammenstellung ganz durch, sondern es bleiben – mit Glück – Einzelsongs im Stream hängen.

Viele Stars früherer Zeiten, so auch Aguilera, suchen ihr Heil nun darin, so breit wie möglich zu feuern – um die Chance zu haben, in möglichst viele Playlists hineinzurutschen. Der Kampf um die Aufmerksamkeitsspanne wird immer unerbittlicher geführt.

Die biegsame Stimmakrobatik des ehemaligen Kinder-, dann Gesangsstars, der einst so etwas wie die erwachsenere Britney Spears war, hüllt sich daher in zwiebelschalenhaftes Stilgemixe: Von Rap-Gestus („Accelerate“) über 80er-Schrecken („Masochist“) und Soul („Unless It’s With You“), Hispanic-Sounds („Right Moves“) bis, sehr häufig, mit dickem Pinsel aufgetragener Balladenemotion.

 

Irgendetwas davon wird schon irgendjemandem gefallen. Diese musikalische Defensivhaltung ist umso erstaunlicher, als Aguilera eine der kompetentesten Sängerinnen im Popbusiness ist.

Was aber heute auch nichts mehr nützt: Das Auf- und Abklettern von Tonleitern mit wuchtiger Stimme ist zwischen gelangweiltem Cloud Rap, Electro-Klängen und all dem anderen, was in der US-Hitparade in ist, ein Fremdkörper. „Liberation“ ist eine Breitwand-Leistungsschau von Etwas, das heute nur noch ein Nischenpublikum hat.

Wer jetzt „Ja, aber Adele“ sagt, hat einen Punkt. Aber nur einen: Die Karriere der megaerfolgreichen Britin ist in jeder Hinsicht einzigartig.

Neues von Christina Aguilera: Kampfsingen um den nächsten Stream

Aguilera kollaboriert auch, was das Zeug hält – das ist ebenfalls ein Mittel, um Streams zu generieren. Wenn Ihnen das neue Album von Kanye West gefällt, gefällt Ihnen vielleicht auch der von Kanye West produzierte Aguilera-Song.

Und wenn er Ihnen nichtgefällt, lassen Sie ihn vielleicht trotzdem durchlaufen.

Es gibt viele Stars und viele Stile und Aguilera klingt auf ihrem eigenen Album phasenweise wie eine Backgroundsängerin, die gerade einen Rappel gekriegt hat, zum Mikro nach vorn gestürmt ist und dort drauflosträllert, bis jemand den Ausschaltknopf findet.georg.leyrer

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