Neue-Musik-Pionier Lothar Knessl mit 95 Jahren verstorben

Er war Bundes-Musikkurator und Pressechef der Bundestheater, MICA-Gründungsmitglied, Komponist und Journalist.

Der Doyen der Neuen Musik in Österreich, Lothar Knessl, ist im Alter von 95 Jahren verstorben. Er starb am Samstag an den Spätfolgen einer Lungenentzündung, wie das Klangforum Wien bekanntgab. 

Von Brünn nach Wien

Knessl, geboren am 15. April 1927 in Brünn, studierte zunächst in seiner Heimatstadt Klavier. In Wien begann er 1947 als Präfekt und Aushilfskapellmeister der Wiener Sängerknaben, es folgten Studien der Musik- und Theaterwissenschaft sowie der Komposition bei Ernst Krenek und Karl Schiske.

Danach arbeitete Knessl unter anderem als Lektor und Korrektor, war Kulturredakteur der Tageszeitung "Neues Österreich" und schrieb nebenbei für diverse Kulturzeitschriften. Ab 1971 leitete er das Pressebüro der österreichischen Bundestheater und war ab 1986 bis zu seiner Pension fünf Jahre später Pressereferent der Wiener Staatsoper.

Festival-Geburtshelfer

Zusätzlich gestaltete Knessl ab 1968 die Ö1-Sendereihe "Studio Neuer Musik" und unterrichtete an der Wiener Universität. Knessl organisierte 1972 und 1982 zwei wichtige "Weltmusikfeste" in Graz sowie weitere Festivals, darunter die "Lange Nacht der Neuen Klänge" und "Offene Regionen". Als Programmbeirat und Redakteur war er 1988 Geburtshelfer und jahrelang Kurator des Festivals "Wien Modern", von 1992 bis 2000 war er Präsident der Österreichischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) und von 1993 bis 1996, zusammen mit Christian Scheib, Musikkurator des Bundesministers für Unterricht und Kunst.

Zu seinen größten Verdiensten zählte dabei die Mitgründung des MICA (Music Information Centrum Austria), dem er von 1994 bis 2001 auch als Präsident vorstand. Ab 1991 war er Koordinator und Juror des "Wiener Internationalen Kompositionswettbewerbs", nunmehr "Erste Bank Kompositionsauftrag".

Ehrenzeichen

Knessls kompositorisches Oeuvre, das bis Anfang der 60er-Jahre entstand, umfasst Motetten, Kammermusik, eine Kantate, Chöre und Lieder. Zu seinen Publikationen gehört unter anderem eine Monografie über Ernst Krenek. Noch weit ins neunte Lebensjahrzehnt ist Knessl, der 1988 mit dem Berufstitel Professor, 1994 mit dem Silbernen und 2010 mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien geehrt wurde, etwa als Vortragender und Kurator bei Wien Modern aktiv gewesen.

Bei der Festivalausgabe im Herbst 2016 war ihm im Konzerthaus-Foyer eine Ausstellung gewidmet, die aus dem am Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung der Musikuni verwahrten Vorlass bestückt wurde.

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