Nestroyspiele: Krähwinkel ist immer und überall

Das Areal ist nur mit Visum zu betreten. Lautsprecher verkünden Verbote. Der Stadtstaat Krähwinkel – heuer im Rahmen der Schwechater Nestroyspiele im Schloss Rothmühle gelegen – wird von einem absolutistischen Bürgermeister regiert. Zwar murren manche, doch zur Entfaltung einer Revolte kommt es erst durch den aufmüpfigen Journalisten Ultra …
Peter Gruber (Regie) bespielt nicht nur die Guckkastenbühne, sondern auch eine Pawlatsche im Gastgarten sowie eine schnell errichtete Barrikade (effektvoll die Raumgestaltung von Günther Lickel und Tina Prichenfried). Die Pause füllte er mit einem Freiheits-Event mit Songs, Proklamationen, speaker’s corner … – Theater rundum.
Er inszeniert keinen historischen Bilderbogen der ’48er-Revolution, sondern findet gemäß Nestroys "Die Gärung is z’groß, es geht überall los." Krähwinkel allerorten im 21. Jhdt.
Nicht verraten
Seine Fassung greift tief in den Text ein, ohne Nestroy je zu verraten – dafür hat er ihn viel zu sehr, bis in die Diktion, verinnerlicht.
In Valentin Frantsits als Ultra steht ihm ein Interpret zur Verfügung, der keinen Wunsch offen lässt: er spielt mit charmanter Lässigkeit, singt ebenso musikalisch wie textdeutlich und besticht in den Szenen, in denen Ultra in diverse Verkleidungen schlüpft, durch kabarettistische Virtuosität. Gespenstischer Höhepunkt: der Auftritt als Hitler-Erscheinung, den Gruber als Chiffre des Antidemokratischen an Stelle Metternichs gesetzt hat.
Getragen wird der Abend von der homogenen Leistung des Riesen-Ensembles, darunter die entfesselten Krähwinkler Mädels als Revolutionsgroupies, die wie Femen über den Bürgermeister herfallen.
KURIER-Wertung:
INFOS: www.nestroy.at
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