Nur noch schnell die Menschheit retten

schriftsteller neal stephenson, honorarfrei
"Amalthea": Science fiction von Neal Stephenson

Neal Stephenson schreibt (mit der Hand!) zwei Arten von Büchern, und man kann eine davon herzhaft lieben, obwohl einen die andere narrisch macht.

Man kann, zum Beispiel, die vielen, vielen, vielen detailgenauen, wohlüberlegten Seiten mögen, die Stephenson in seinem Barock-Zyklus geschrieben hat. Etwa über die Entwicklung der modernen Geldwirtschaft, die Schwerkraft oder die Niederlande des 17. Jahrhunderts.

Man kann das aber auch als Lesearbeit empfinden.

Und stattdessen die Bücher mögen, die sich im weitesten Sinne ums Heute drehen. Die nämlich verbinden fundiertes Computer- und Nerd-Wissen, Menschenkenntnis und eine spannende Ingenieurs- bzw. Wissenschaftler-Sicht auf die Welt, die viel über das Heute und das Morgen weiß.

Mit "Snow Crash" etwa hat Stephenson bereits Anfang der 1990er-Jahre eine glaubhafte Online-Welt konzipiert, lange vor Second Life und Oculus Rift. Manchmal, wie bei "Cryptonomicon", gelingt ihm Kino-Blockbuster-Tauglichkeit (zumindest wäre das filmtauglich, wenn Hollywood etwas anderes im Kopf hätte, als Fortsetzungen zu drehen).

Dicker Pinsel

Zählt man zu letzterer Gruppe der Stephenson-Fans, darf man sich freuen. Stephenson hat mit "Amalthea" den ganz dicken Science-Fiction-Pinsel ausgepackt. Wie dick der ist, lernt man gleich auf den ersten Seiten.

Da explodiert der Mond.

Das ist natürlich nicht die beste aller Nachrichten für die Menschheit. Die kommt schnell drauf, dass die Explosion der Beginn einer Kettenreaktion ist, an deren Ende die Auslöschung steht. Wie gesagt, ganz dicker Pinsel.

Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, und hier sind wir in Stephensons Kerngebiet: Wissenschaftler und Ingenieure sind gefragt. Mit denen kennt Stephenson sich aus. Er weiß, zum Glück, auch, dass die niemanden interessieren, wenn sie nicht als Menschen auftreten.

Man darf mitfiebern.

Es wäre nicht Stephenson, ginge es nicht bald um große theoretische Fragen: Was bedeutet der drohende Untergang für Religion, Wirtschaft, für die Menschen persönlich? 5000 Jahre später, übrigens, ist auch noch nicht alles klar.

Neal Stephenson:
„Amalthea“
Übersetzt von Nikolaus Stingl und Juliane
Gräbener-Müller.
Manhattan Verlag. 1056 Seiten. 30,90 Euro.

Kommentare