Pop

Schwere Last auf leichten Schultern: Naked Lunch mit neuem Album

46-220131927
Band-Mastermind Oliver Welter veröffentlicht nach vielen Krisen das famose Album „Lights (And A Slight Taste Of Death)“.

„Ich konnte Naked Lunch nicht mit einem Hits-Album zu Grabe tragen. Ich kann nicht so lange eine so intensive Zeit mit dieser Band verbracht haben und mich dann mit einer billigen Kompilation vertschüssen.“ 

2015 brachte Oliver Welter, Sänger, Gitarrist und Songwriter von Naked Lunch, nach 25 Karriere-Jahren eine Werkschau der renommiertesten Indie-Rock-Formation Österreichs auf den Markt. Jetzt meldet er sich mit dem wunderbaren neuen Studio-Album „Lights (And A Slight Taste Of Death)“ zurück, das zischen Melancholie und Hoffnung, zwischen reduzierter Romantik und psychedelischer Opulenz pendelt, und durchwegs tief berührend ist. 

In den Jahren der Naked-Lunch-Pause arbeitete Welter als Komponist für das Theater,  schuf etwa mit der Pianistin Clara Frühstück für das Burgtheater eine Neuinterpretation der „Winterreise“ von Franz Schubert. Er schrieb parallel dazu aber immer auch Songs für Naked Lunch, verwarf die aber wieder. 

„Mindestens zwei Alben waren das“, sagt er. „Speziell die Songs, die während der Coronazeit entstanden, fand ich nachher ziemlich bescheiden, denn es ging um Vereinsamung. Die habe ich aber immer schon gespürt, dazu brauche ich keine Lockdowns.“ 

Das Gegenüber geht

Erschwerend kam hinzu, dass 2019 Bassist Herwig „Fuzzman“ Zamernik - 25 Jahre lang Co-Mastermind und „mein irres Gegenüber“ - bei Naked Lunch ausstieg. „Das war anfangs sehr schmerzvoll. Wir haben davor einiges zusammen gemacht, aber dann hatte sich diese Beziehung erschöpft. Es war aber eine Trennung im Guten und wir haben immer noch einen super Kontakt. Herwig ist mir viel zu wertvoll, als dass ich ihm gram bin. Ich achte ihn wahnsinnig – als Mensch und als Musiker.“ 

Tapete Records

Dann noch ein Schock. Welter bekam Krebs – zum zweiten Mal. „Das erste Mal ist schon eine Zeit lang her, darüber habe ich nie viel gesprochen. Es war eine 50-50 Chance und ich bin hoffnungsfroh damit umgegangen. Aber dann, als ich schon dachte, ich habe das überwunden, ist der Scheiß noch einmal gekommen. Das hat mich sehr getroffen, vor allem psychisch. Ich war für ein, zwei Jahre unfähig, irgendetwas zu tun. Das wirkt sich auf die Sozialkontakte aus. Und natürlich wurden auch die Aufträge für Theater- oder Filmmusik immer weniger, weil ich in der Szene nirgendwo mehr aufgetaucht bin.“ 

Aber auch das, sagt er, sei endlich hinter ihm. Und die immer wieder auftauchende Frage von Fans, wann das neue Naked-Lunch-Album erscheine, nahm seiner Frage, ob so ein Werk überhaupt noch jemanden interessieren würde, den Wind aus den Segeln. Irgendwann war klar: „Jetzt muss ich dieses Album machen, sonst mache ich es gar nicht mehr.“  

Tod gehört zum Leben

Der Klammer-Nachsatz im Titel, der den „leichten Geschmack von Tod“ in den Songs ankündigt, hat laut Welter nichts mit seiner gesundheitlichen und psychischen Krise zu tun. „Bei mir ist das eine Lebensfrage“, sagt er. „Diesen Albumtitel hätte ich auch mit 22 Jahren schon nehmen können. Denn schon als Teenager war ich derjenige, der bei der größten Party und im größten Licht immer das Unheil gesehen hat. Bei einer Hochzeit, wenn sich alle freuten, habe ich gedacht: Eure Beziehung wird enden. Ich würde die Dinge gerne anders sehen, und ich kann das jetzt eigentlich auch schon besser.“ 

Insofern verarbeitet Welter in den meisten Songs das Erlebte und seine Gedanken zum Leben, zur Liebe und zum Tod. Ein überzeugter Atheist ist er, daran haben auch Krankheit und Krise nichts geändert. „Ich habe seit vielen Jahren keinen Zweifel daran, dass es keine spirituelle Hoffnung für uns gibt und wir nur dieses eine irdische Leben haben. Deshalb bin ich oft so betrübt und traurig darüber, dass wir es auf diesem Planeten so schlecht machen. In vielen Religionen gibt es die Idee eines anderen Lebens nach dem Tod. Ich glaube, es wäre auf der Welt einfacher, wenn wir das nicht hätten. Denn dann würden wir uns auf das Jetzt beschränken, mehr Verantwortung tragen und schauen, dass wir es im humanistischen Sinne jetzt so gut wie möglich machen.“

 Ähnliche Gedanken prägen den Song „We Could Be Beautiful“: „Ich bin damit nicht explizit politisch. Ich sage nur, wenn wir da und dort anders handeln würden, könnten wir wunderschön sein. Leider sind wir das gerade gar nicht. Wir sind momentan leider ein schiacher Haufen.“

Kommentare