Musikverein: Furios durch die Unterwelt mit Cecilia Bartoli
Phänomenal: Die italienische Star-Sängerin Cecilia Bartoli.
Wie Gesang tiefsten Schmerz spüren lassen kann, machte Cecilia Bartoli bei Christoph Willibald Glucks „Orfeo ed Euridice“ im Musikverein mit Gianluca Capuano am Pult von Les Musiciens du Prince-Monaco erlebbar. Im schlichten, schwarzen Anzug wird diese Sängerin zu Orfeo. Wenn sie diesen jungen Menschen, der sein Glück, seine Euridice verloren hat, verkörpert, geht es nicht um Schöngesang oder Koloraturenakrobatik, die sie wie niemand sonst beherrscht. Denn die gibt es in der Gluck’schen Fassung nicht. Da geht es um Wahrhaftigkeit. Sie lässt ihren Mezzosopran so klingen, wie es die Situation erfordert. Einmal herb, dann wieder geschmeidig, dann wieder mit furiosem Espressivo.
Bereits 2023 brillierte Bartoli in Salzburg als Orfeo in der Inszenierung von Christoph Loy. Durch die Reduktion auf den Gesang und die Musik, die nur durch eine dezente Lichtregie unterstützt werden, wirkt ihre Darstellung noch intensiver. Das Licht verlöscht. Der Chor zieht mit brennenden Kerzen ein, um Euridice, die vor dem Orchester liegt, zu betrauern. Das hält Orfeo nicht aus. Amor hat die Lösung. Orfeo kann seine Braut ins Leben zurückholen, doch er muss eine Prüfung bestehen.
Bartoli schwingt sich vom Podium, wandelt durchs Parkett, singt und klagt. Man erschrickt mit ihrem Orfeo, wenn die Furien ihre Stimmen erheben.
Absoluter Höhepunkt ist das populäre „Che farò senza Euridice“. Ganz ungewohnt, setzt Capuano dabei auf Rasanz. Bartoli singt das wie üblich nicht als gezogenes Lamento, sondern eher gehetzt, da wird die Verzweiflung greifbar. Dass diese Aufführung auf Glucks Happy End verzichtet, verstärkt die Wirkung.
Melissa Petit intoniert in beiden Gestalten, Armor und Euridice, mit ihrem brillant schimmernden Sopran. Phänomenal ist der Chor Il Canto di Orfeo (Einstudierung: Jacopo Facchini). Diese Stimmen können jede Emotion ausdrücken und das absolut wortdeutlich und unfassbar schön.
Das lässt sich auch vom Orchester behaupten. Capuano gestaltet jede Passage mit Sinn. Die Ouvertüre ersetzt er durch das Larghetto aus Glucks Ballett „Don Juan“. Mit dem wandelbaren Klang des Orchesters, der goldleuchtend bis zum fahlen Grau alles abdeckt, generiert er atemberaubende Momente. Ovationen.
Kommentare