Simply Red in Wien: Ein warmherziger Engel singt die Songs unserer Jugend

Montreux Jazz Festival 57th edition
Mick Hucknall und Band gastierten in der ausverkauften Wiener Stadthalle.

11.500 Simply-Red-Fans warten gespannt auf eine „Greatest Hits“-Show. Doch was Mick Hucknall, Boss und Sänger der in den 80er-Jahren prägenden Soul-Pop-Band anfangs auf die Bühne der ausverkauften Wiener Stadthalle bringt, ist überraschend: Er startet diese Show zum 40-jährigen Bestehen der Band mit den jazzigen Songs „Sad Old Red“ und „Jericho“. Beide sind vom legendären „Picture Book“-Album, mit dem Hucknall und Simply Red 1985 die Welt eroberten – aber nicht das, was man bei einer Hit-Revue erwartet.

Trotzdem: Der Sound ist glasklar, die Band mit ausschließlich virtuosen Musikern ist perfekt aufeinander eingespielt und das hochklassige Gebotene wird wohlwollend aufgenommen.

Die Hits kommen ja auch gleich danach: „Money’s Too Tight (To Mention)“ und „The Right Thing“. Mühelos wechselt die Band den Stil, hin zu dem souligen Pop-Sound, der Simply Red berühmt gemacht hat.

Überraschender Wien-Konnex

Und Hucknall selbst ist mit 65 Jahren stimmlich fast noch stärker als in der Jugend: Er klingt bei den sanften Balladen wie ein warmherziger Engel, kommt spielend leicht und geschmeidig in alle Höhen, röhrt und zieht die Töne der energischeren Stellen so kraftstrotzend, dass er dabei häufig das Mikro bis unter dir Brust runterziehen muss, damit es nicht übersteuert. Zwischendurch erzählt er, dass Wien seine Lieblingsstadt ist, dass er sie auch deshalb so schön findet, weil seine Frau Gabriella Westbury hier geboren ist. Das ist verwunderlich, weil er das bei so vielen Auftritten hier in der Stadthalle und anderswo in unserer Hauptstadt noch nie gesagt hat. 

 

Hucknall erzählt aber auch von der Entstehung mancher Songs, zum Beispiel, wie sie „A New Flame“ im AIR-Studio des legendären Beatles-Produzenten George Martin auf der Karibikinsel Montserrat aufgenommen haben, und Insel und Studio zwei Jahre danach von einem Vulkanausbruch zerstört wurden. 

Dabei wirkt er immer entspannt und fröhlich. Zwar hat er, wenn sich mit Leib und Seele in einen Song hineinsteigert, die Augen zu. Wenn sie aber offen sind, strahlt er Freude aus, lächelt seine Musiker an und scherzt mit dem Publikum. Offenbar hat sich Hucknall mit seiner Rolle als Interpret seiner alten Hits abgefunden und sie sogar lieb gewonnen. 2011 hatte er Simply Red auf Eis gelegt, sagte damals, 25 Jahre seien genug, dass er lieber solo einen neuen Stil kreieren will, der moderne Sounds mit Sixties-R&B verbindet. Ab 2015 veröffentlichte er dann doch wieder mit Simply-Red – drei von den Kritikern durchaus gelobte Alben. 

Erstaunlich viele Hits

Die kommen in der Stadthalle aber nicht vor. Stattdessen gibt es nach dem jazzigen Beginn im Hit-Teil der Show die nächste Überraschung: Da sind so viel mehr Songs, die man noch gut im Ohr hat, als man nach Simply-Red-Klassikern gefragt, aufzählen und benennen könnte. „For Your Babies“ ist so einer, „Fairground“ ein anderer. Aber natürlich sind da auch all die unwiderstehlichen Melodien, die Hucknall zum Weltstar gemacht haben: „Stars“, „Something Got Me Started“ und die euphorisch umjubelten Schmuseballaden „If You Don“t Know Me By Now“ und „Holding Back The Years“. Letztere beschließt ein Konzert, das die Kraft von gutem alten Handwerk in den Fokus rückte und nichts anderes wollte, als Spaß machen. Eine Mission, die gelungen ist.

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