"Verkaufte Braut" in der Staatsoper: Plüschbärenballett mit Riesenbratwurst (und Kren)

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Smetanas Oper ganz ohne Tschechien-Idylle, mit toller Musik und starken Gesangsmomenten, aber einigen Fragezeichen.

Wenn man abends sehr schwer isst, etwa ein riesiges Bratwürstel mit einem Spritzer Kren aus einer ebenso überdimensionalen Tube, dann kann man schon mal schwer träumen. Vielleicht vom Wiener Plüschbärenballett, das auf der Staatsopernbühne ironische Knuddelchoreografien tanzt. Oder von einem geschäftigen Spaßzirkus, der zeigt, wie schwierig gelungener Körperhumor ist.  Oder davon, dass modernisierte Inszenierungen längst auch genauso altbacken sein können wie die vermeintlich werkgetreuen.

Wer lieber nicht schwer isst, das alles aber trotzdem gerne mal sehen würde, ist bei Bedřich Smetanas "Verkaufter Braut" an der Wiener Staatsoper richtig. Die erste Premiere der neuen Saison war eine geglückte Vorlage für das inzwischen altbekannte, zunehmend ermüdende Spiel: Das Publikum würdigte die Musikleistungen (wenn auch nicht eben euphorisch) und lieferte die üblichen Buhrufe für die Regie ab.

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Jetzt ist man einerseits tendenziell geneigt zu denken: Im Prinzip wird es wohl kein Schaden sein, wenn von einer tschechischen (oder sonstwie ländermäßig zugeordneten) "Nationaloper", als die das passiv beliebte Werk (viele mögen es, auch wenn es kaum je zu sehen ist) gemeint ist, regiehaft Abstand genommen wird. Die Komödie über einen Vertragstrick, mit dem ein vermeintlicher Verkauf der Braut über Umwege zum Liebesglück führt, ist aber andererseits jetzt auch nicht so inhaltlich oder repertoiremäßig zwingend, dass man sich unbedingt daran abarbeiten müsste. 

In diese Notwendigkeitslücke stolpert denn auch der Abend als Ganzes: Auch wenn großteils toll musiziert und stellenweise hervorragend gesungen wird, fragt man sich letztlich doch, worin genau der Zweck der Übung bestanden hat. Regisseur Dirk Schmeding malt augenzwinkernd einiges von dem nach, was am deutschen Regietheater einmal umstritten war (am Schluss tritt der Zirkusbär mit Kettensäge auf), bewahrt andererseits gerade in der Liebesgeschichte von Mařenka (Slávka Zámečníková) und Jenik (Pavol Breslik) eine längst prähistorisch daherkommende Pärchendynamik (ahnungsloses Frauchen, und der Mann, der regelt das). Da hilft auch die neue deutsche Übersetzung nicht viel.

Auch auf dem Weg in die tschechische Idylle, die sich Teile des Publikums auch 2025 offensichtlich noch auf der Opernbühne erhoffen, ist man am halben Weg  falsch abgebogen und in Amerika gelandet, oder zumindest in jenem abgenudelten Bild von Amerika, das auf europäischen Jahrmärkten vertrieben wird. Knapp bekleidete Cowgirls reiten auf einer Bullenmaschine, die Männer werfen Geldscheine (zum Glück nicht die überdimensionale Fünf-Schilling-Münze, die am Anfang zu sehen war), und über all dem prangt der Schriftzug "Love Rodeo". 

Die Handlung spielt nun zur Gänze rund um den Zirkus auf diesem bunten Jahrmarkt, hinter dessen, klar, nicht so neonfarbene Kulisse geblickt wird. Es beginnt in einer dieser Maschinen, bei denen man mit einem Haken meist vergeblich Stofftiere herausfischen soll, diesfalls wird die Braut herausgeholt, woraufhin die Plüschbären mit den Stofftieren tanzen. 

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Das Banner mit der Aufschrift "Sensation" fällt alsbald herunter, und anfangs und am Ende steht "Die verkaufte Braut" in großen Lettern über der Bühne - man spielt also wohl auf dem Jahrmarkt auch das Stück selbst. Am Schluss dann gibt es auch noch Kameras und das Liebespaar in Großaufnahmenriesenprojektion; Breslik zwinkert ins Publikum.

Tomáš Hanus arbeitet im Graben unermüdlich an jener Nuancierung, die Smetanas Werk wirken lassen: Immer wieder bremst er einzelne Stimmen, mahnt zum Herunterregeln, um dann an entscheidender Stelle loszudüsen. Das funktioniert super, man hört dem Musikalischen über den ganzen Abend hinweg gerne zu. Und in der Arie der Mařenka über den vermeintlichen Liebesbetrug gelingt Großartiges: Zámečníková singt beklemmend schön, aus dem Graben ertönt Zauberklang, ein Wahnsinnsmoment.

Vielleicht auch deshalb, weil es hier kurz wirklich ernst gemeint ist. Großflächig wird sonst nämlich auf Distanz gesetzt, oder auch auf Dinge, die man nicht ernst meinen kann: Die Männergruppen sind nicht nur beim Biertrinken aus der übergroßen Maß, die am Oktoberfest wohl einen Kleinwagenpreis kosten würde, daueraggressive, breitbeinige Polterer; der sehr gute Michael Laurenz als Vašek muss auch hier ganz unironisch stottern, was in die Erklärung seiner Heiratsuntauglichkeit einzahlen soll, na ja. Wissendes Gelächter im Publikum, als die böse Schwiegermutter-in-spe (Margaret Plummer) sich bedrohlich aus einem Käfig befreit. 

Man merkt an dem allen die Absicht und ist jetzt weder verstimmt noch sonstwas, sondern eher unberührt: Man weiß, was mit den putzigen psychedelischen Bärentänzen, dem aufgeregte Zirkus oder den großgestischen Gruppenszenen gemeint ist, sie finden aber den Weg nicht in die Emotion. Und durch sie kaschiert wird ein ganz ordentlicher Anteil an klassischem Rampensingen.

Irgendwo mittendrin wird eine jener Jahrmarktattraktionen auf die Bühne gehievt, auf die man möglichst fest mit einem Hammer hauen muss. Das glückt, und oben explodiert ein Knallkörper. Rundherum hat der Abend, leider, nur selten gezündet. Nächstens essen wir statt der überdimensionalen Opernbratwurst, die mehrfach in der Inszenierung auftaucht, wohl doch lieber einen Salat.

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