Neue Oper Wien: Endstation Jenseits, diesmal für Eurydice

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Walter Kobéra fährt zum Finale seiner Intendanz mit „Eurydice – Die Liebenden, blind“ einen Triumph ein.

Eurydice hat genug vom Leben und Lieben. Sie will hinüber ins Totenreich. Dann hört sie einen Ton und verliebt sich erneut, diesmal in Orpheus. Doch es ist zu spät, der Zug mit Destination Jenseits lässt sich nicht aufhalten.

Manfred Trojahn deutet den antiken Orpheus-Mythos in seiner Oper „Eurydice – Die Liebenden, blind“ zum Psychodrama um. Trojahn verfasste auch das Libretto, als Orientierung dienten ihm dabei Teile von Rilkes „Sonette an Orpheus“. Ein Coup, dass sich Walter Kobéra nach der Uraufführung 2022 in Amsterdam die österreichische Erstaufführung dieses Meisterwerks für die Neue Oper Wien im Museumsquartier gesichert hat.

Mit dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich bringt Kobéra Trojahns Musik in allen Facetten zur Entfaltung. Diese klingt mit ihren lautmalerischen Passagen, als hätte Trojahn, bekennender Verehrer von Richard Strauss, dessen Musik weitergedacht. In manchen Sequenzen lässt er sogar einen Hauch von Wagners „Tristan und Isolde“ durchwehen, wenn es um den Tod geht.

Dietlind Konold, Trojahns Ehefrau, hat eine ansehnliche, wirkungsvolle Bühne in der Halle E geschaffen. Mit wenigen Sesseln stellt sie ein Zugabteil dar. Hinter einer transparenten Wand befindet sich ein Zimmer, also das irdische Leben, und dahinter die Unterwelt, deren Wände mit dunklen Goldfolien überzogen sind.

Bei Trojan geht es nicht wie im antiken Mythos um Orpheus’ tragischen Verlust seiner geliebten Braut. Hier stehen einander eine reife Frau und ein im Leben orientierungsloser junger Mann gegenüber. Sie war Schauspielerin, die im Leben und im Beruf vergeblich ihr Glück gesucht hat. Er ist auf die Rolle des Bewunderers reduziert.

Juana Inés Cano führt das Ensemble genau zur Musik. Seltsame Gestalten (Madrigalisten des ausgezeichneten Wiener Kammerchores) in clownesken Kostümen beobachten ständig das Paar.

Trojahn vereint in seiner Eurydice mehrere Strauss-Figuren. Wenn ihre Ex-Partner Revue passieren lässt, agiert sie wie eine Zerbinetta. Ihre Sehnsucht nach „hinüber“ lässt an Ariadne denken. Mit ihrem Lover Olivier, einem Dichter, wird über das Verhältnis von Musik und Wort wie in „Capriccio“ diskutiert.

Ein Apfel

Bevor Eurydice in die Unterwelt eintritt, verzehrt sie bedächtig mit Messer und Gabel einen Apfel. Dann gibt sie sich Pluto hin. Proserpina, dessen Frau, versucht vergeblich, das Paar wieder zusammenzubringen. Laure-Catherine Beyers verkörpert Eurydice mit wohldosierter Intensität. Ihr Sopran klingt einnehmend in allen Lagen. Glaubhaft stellt sie eine enttäuschte Frau dar.

Martin Achrainer zeigt den Orpheus als steifen jungen Mann, der spüren lässt, dass er dieser Frau nicht gewachsen ist. Mit seinem markanten, metallenen Bariton intoniert er absolut wortdeutlich. Christoph Gerhardus wirbelt als Pluto und in anderen Gestalten eindrucksvoll durchs Geschehen.

Lena Belkina lässt als Proserpina aufhorchen und wird wie alle bejubelt.

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