Jordi Savall beendet Beethoven-Zyklus: Eine klangliche Zeitreise und ein Aufruf zum Frieden
Die Ovationen wollten nicht enden. Das Publikum im Konzerthaus feierte einen der großen Musiker: Jordi Savall, Gambist, Dirigent und Musikwissenschafter, neben Nikolaus Harnoncourt eine der zentralen Persönlichkeiten der historischen Aufführungspraxis, hatte mit seinem Orchester Le Concert des Nations seinen Beethoven-Zyklus aufwühlend beendet.
Die auf vier Abende angelegte Reihe schloss er mit den frühen und den letzten Symphonien ab. Mit der „Ersten“ in C-Dur eröffnete er den zweiten Block. Da war rasch klar, hier begibt sich ein Forscher am Pult auf eine Zeitreise. Wie bei allen Symphonien verzichtet er auf Schönklang. Vibrato ist ein Tabu. Der herbe Klang seines Orchesters dominiert. Auch bei der „Zweiten“ in D-Dur. Savall grenzt den frühen Beethoven klar vom späteren ab, rückt ihn in eine Nähe zu Mozart und Haydn und macht den Schalk des Komponisten hörbar. Immer wieder setzt er in der „Vierten“ in B-Dur auf heftige Akzente.
Abenteuer
Diesem Dirigenten geht es nicht um makellose Interpretationen, bei ihm wird Beethoven zum Abenteuer. Das ändert sich auch am letzten Abend nicht. Wann hat man jemals eine Aufführung der „Achten“ und der „Neunten“ an einem Abend erlebt? Savall hat die Energie. Die Krücke, auf die er sich am Weg zum Pult stützt, legt er elegant ab. Er treibt sein Orchester mit sparsamen Gesten und unbändigem Furor zu ungestümen, kraftvollen Ausbrüchen beim Opus 93 in F-Dur. Kompromisslos setzt er auf er Kontraste, denen er den Vorzug gegenüber scharfen Akzenten gibt. Dass die Blechbläser immer wieder entgleisen, nimmt man in Kauf. Aufdringlich pocht die Pauke auch in der „Neunten“ in d-Moll. Aufwühlend führt Savall seinen Chor La Capella Nacional de Catalunya durch Schillers „Ode an die Freude“. Die Stimmen klingen ausgewogen. Beim Solistenensemble (Lina Johnson, Sopran, Olivia Vermeulen, Mezzosopran, Martin Platz, Tenor, Manuel Walser, Bariton) ist Schönklang sekundär. Hier geht es um die Botschaft dieser Musik. Die formuliert Savall am Ende so: „Wenn die Menschen diese Symphonie jeden Tag hörten, wäre Frieden“. Susanne Zobl
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