Auf dieses andere Leben mit langen Partynächten, das er Ende der 90er- und Anfang der 2000er-Jahre in New York führte, blickt er jetzt mit dem Album „Resound NYC“ zurück. Dafür hat er Songs, die er damals in seinem Apartment im Süden Manhattans geschrieben hat, mithilfe von Sängern wie Gregory Porter und Ricky Wilson (Kaiser Chiefs) in Orchester-Versionen neu aufgenommen. Manche – ähnlich wie er das beim Album „Reprise“ von 2021 mit Hits wie „Natural Blues“ und „Why Does My Heart Feel So Bad?“ machte – mit einem klassischen Orchester, andere mit einer Kombination aus „Traditionellem, elektronischen Elementen und anderen eigenartigen Sounds“.
Ein Grund dafür war, dass der als Richard Melville Hall geborene Ur-Ur-Ur-Großneffe von „Moby Dick“-Autor Herman Melville „Resound NYC“ während der Pandemie aufnahm. „Da war es illegal, ein Orchester in einem Tonstudio zusammen spielen zu lassen“, sagt er. „Das war aber auch eine kreative Chance, denn bis dahin hatte ich ein Orchester immer als 120 Musiker gesehen, die in Anzügen in schicken Musiksälen auftreten. Historisch gesehen kann es aber viel mehr sein.“
Keine Wehmut
Wehmütig, sagt er, habe ihn die Rückschau in seine Vergangenheit nicht gemacht. Sein jetziges Leben, bei dem der Veganer streng nüchtern bleibt, neben dem Musikmachen viel liest und in die Berge wandern geht, macht ihn viel glücklicher. „Ich fand Beschäftigung mit den Songs aus diesem anderen Leben aber sehr lehrreich. Denn einerseits war damals die gleichgeschlechtliche Ehe illegal, keiner wusste, was das Wort vegan bedeutet und im Flugzeug war das Rauchen erlaubt. Es gibt also schon einen gewissen Fortschritt. Andererseits ist es deprimierend, zu sehen, wie optimistisch wir damals waren: In den USA hatten wir junge, progressive Politiker in den Spitzenpositionen. Wir dachten, dass das Internet eine Sache ist, die uns Vereinigung und Wahrheit bringen wird. Und es wurde darüber gesprochen, dass Russland der Europäischen Gemeinschaft beitritt. Es ist traurig, zu sehen, wo wir da jetzt stehen.“
Wo wir jetzt stehen, sagt der 57-Jährige, der sich seit Beginn der Karriere für die Rechte der Tiere und den Kampf gegen die Umweltzerstörung eingesetzt hat, überwältige ihn schon manchmal. Sein Mittel dagegen: „Ich konzentriere mich auf das, was vor mir ist. Ich kann am Laptop die Nachrichten schauen, oder ihn zuklappen, beim Fenster rausschauen und Bäume und Eichhörnchen sehen. Und ich kann wandern gehen, in eine Welt ohne Menschen eintauchen und mich daran erinnern, dass wir Menschen der Natur ziemlich egal sind.“
Will er damit sagen, dass er es für möglich hält, dass die Natur überlebt, wir Menschen aber nicht? Er antwortet mit einer Analogie: „Meine Mutter hat ihr Leben lang geraucht. Mit 40 sagte ihr ein Arzt, dass sie keine 60 wird, wenn sie nicht damit aufhört. Das hat ihr zwar große Angst gemacht, sie hat aber weiter geraucht. Ein paar Jahre später hatte sie schon schwere Gesundheitsprobleme wegen der Raucherei. Da hat sie dann aufgehört, aber wenig später hat sie Krebs bekommen und ist gestorben.“
Die Lösung, sagt er, sei simpel: „Wenn wir eine Überlebenschance haben wollen, müssen wir sofort aufhören Öl, Gas und Kohle zu verwenden und den Regenwald abzubrennen. Wir dürfen Tiere nicht länger zur Ernährung benützen. Wir müssen all das sofort und radikal stoppen. Die Menschheit hat zwar Angst, aber die Politiker und die Konzernchefs glauben immer noch, dass es reicht, einen Tesla zu fahren und einen Baum zu pflanzen. Aber das wird den Klimawandel sicher nicht stoppen.“
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