Studie: Mitte der 80er-Jahre war eintönigste Phase der Popmusik
Papa Don't Preach", "Take My Breath Away" oder "The Final Countdown": Obwohl es Mitte der 1980er-Jahre nicht an Hits fehlte, brandmarken britische Wissenschafter diese Phase als eintönigste der modernen Popgeschichte. Es habe damals die geringste musikalische Vielseitigkeit gegeben, schreiben die Forscher vom Imperial College London und der Queen Mary University in der Zeitschrift Open Science.
Elektro-Einheitsbrei?
Dazu habe vor allem die weite Verbreitung von Drumcomputern und Synthesizern beigetragen. Im Gegenzug machten die Forscher für die USA seit 1960 drei Umbruch-Jahre aus: die British Invasion von 1964, als die Beatles und die Rolling Stones in dem Land Triumphe feierten, 1983 mit der New Wave und 1991, als Hip-Hop zum Mainstream wurde. Dies sei in den USA sogar die größte Chart-Revolution seit 1960 gewesen, schreiben die Wissenschafter in der Zeitschrift der britischen Royal Society.
Kein Trend zur Retorte
In der Studie analysierten sie etwa 17.000 Lieder, die zwischen 1960 und 2010 in den US-Charts waren, mithilfe von Computer-Software. Dabei untersuchten sie etwa die verwendeten Instrumente, Akkordfolgen und Melodien. Einen generellen Trend zur Vereinheitlichung der Popmusik sehen die Forscher nicht. Ab Mitte der 1980er-Jahre habe sich die musikalische Vielfalt bis etwa 2010 wieder erholt, schreiben sie.
"Bestimmt werden einige Leute nicht einverstanden sein mit unserer wissenschaftlichen Herangehensweise und sie für zu beschränkt halten für ein so emotionales Thema", wird Erstautor Matthias Mauch in einer Mitteilung der Queen Mary University zitiert. Er und seine Kollegen wollen nun die US-Charts bis mindestens in die 1940er-Jahre zurückverfolgen - "allein schon um zu klären, ob 1955 tatsächlich - wie viele behaupten - das Geburtsjahr des Rock'n'Roll war".
We" - "Yeah" - "Hell" - "Fuck" - "Die" - das klingt jetzt vielleicht wie ein Harakiri-Haiku. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um die Top 5 der am häufigsten verwendeten Wörter in Songtiteln der letzten vier Jahre. Ein Kanadier namens David Taylor hat sich die Mühe gemacht und alle Songs, die es in die amerikanischen Billboard-Charts schafften (basierend auf dem Online-Archiv "Bullfrogs Pond") ausgewertet.
Als Hobby und "weil es mir Spaß macht, große Datenmengen auszuwerten", sagt Taylor - im Brotberuf wissenschaftlicher Datenanalytiker in Montreal - gegenüber Spiegel Online. Der 44-Jährige hat sich auch bereits mit der Häufigkeit des Vornamens Sigourney in den USA beschäftigt (die so ziemlich parallel mit der Karriere von Sigourney Weaver, mit einem Höhepunkt 1989, drei Jahre nach "Aliens - Die Rückkehr", verläuft), oder gezählt, wie oft Eddie Murphy in seinem Stand up-Programm "Delirious" das Wort "Fuck" verwendete (mitunter über 60 Mal pro Minute).
Die Uncles des Erfolgs
Und jetzt eben Songtitel. Die größte Überraschung dabei? "Um die Jahrhundertwende taucht das Wort "Uncle" häufig auf, das lag daran, dass ein einzelner Künstler eine Reihe von Liederzählungen herausgebraucht hatte, in denen es immer darum ging, dass ein Onkel namens Josh irgendetwas tut", erklärt Taylor im Interview mit Spiegel Online. Ein signifikanter Einfluss war mit damals nur rund 600 Songs in den Billboard-Charts eben noch leichter.
Der kleine Richard twistet
Aber auch in den 60er-Jahren - mit 6.672 Titeln in der Wertung - scheint ein Künstler zählbaren Einfluss gehabt zu haben, lauteten die häufigsten Wörter doch "Baby" - "Twist" - "Little" - Twistin'" - "Lonely". Little Richard wird sich freuen, das zu hören. Taylor hat aber eine andere, ganz einfache Erklärung für die Häufung des "Twist": Früher haben Künstler ihre Songs nämlich noch öfter nach dem Genre benannt, als das heute der Fall ist. Das merkt man auch in den 70ern: "Woman", "Disco", "Rock", Music", und "Dancing" waren damals angesagt.
Scorpions in den 80ern
In den 80ern lautete die Songlosung:"Love", "Fire" "Don't", "Rock", "On", was eigentlich auch ein ziemlich durchschnittler Titel eines Scorpions-Songs wäre. Und so klangen die Aufbruchsjahre der 90er: "U", You", "Up", "Get". In den 2000ern wurde es dann luftiger: "U", "Like", "Breathe", "It", "Ya", ehe es ab 2010 eben komplett düster wurde.
Damit gleich auf ein gesellschaftliches Klima zu schließen, hält Taylor für nicht zulässig. "Eine Kausalität habe ich nicht untersucht", verweist der Datenanlytiker solche Schlussfolgerungen ins Reich der Spekulation. Und außerdem: Wir stehen ja erst bei der Halbzeit. Solange die Top 5 am Ende nicht "I", Sing", "A", "Lead", "Four", "Di" heißen werden, dürften die 2010er halb so schlimm werden, wie sie aktuell klingen.
David Taylors Ergebnisse im Detail
Interview mit Spiegel Online
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