Miley Cyrus: Der Hund ist tot, der Pop lebt

Es ist ja nicht so, dass Miley Cyrus davor zurückschreckt, in der öffentlichen Wahrnehmung hin und wieder auch ein ganz klein wenig eigenartig rüberzukommen (siehe Bild). Sie lebt eine rotzige "Ich kann mich zeigen, wie ich will"-Attitüde, über deren postfeministische Züge man sich in der einen oder anderen Proseminararbeit ausbreiten könnte.
Muss man aber nicht.
Für den geneigten Popfreund stellt sich aber die gar nicht leichte Aufgabe, an herausgestreckter Zunge, wackelndem Hinterteil, fast ganz entblößten Körperstellen und allen Ausformungen des Instagram-Exhibitionismus vorbeizusehen. Sich also nicht von Cyrus in die Provokationsfalle locken zu lassen. Denn sonst versäumt man Entscheidendes im Pop.
Wie Cyrus nämlich funktioniert nunmehr, und das muss man auch mal akzeptieren, der Pop: Man sucht hier keine Lebenshilfe, sondern Abgrenzung von den verkniffenen Stars der Eltern und deren schwerfälliger Kost. Schrille Bilderfluten und Gratis-Soundhappen signalisieren in Richtung Elterngeneration, was diese mal kann.
Ungeschminkt
Und so ungeschminkt, unverwackelt und direkt wie auf "Miley Cyrus and Her Dead Petz" hat man den musikalischen Teil des Pop-Phänomens Cyrus bisher noch nicht erleben können.
So heißt das Album, dass Cyrus in der Vorwoche überraschend zum Gratis-Stream freigegeben hat. Es ist kein Album im herkömmlichen Sinn. Schon der Anlass ist ein schräger: Cyrus’ Hund wurde, so ließ die Sängerin wissen, von einem Kojoten gefressen. Es gibt keine fertigpolierten Songs. Sondern persönliche und für heutige Verhältnisse extrem lange (sechs Minuten!) Auslassungen über die Lebenswelt der – Vorsicht, Trendbegriff! – "Millennials", also der Generation nach X und Y.
Diese Welt ist, das mag kaum überraschen, nicht immer ganz geordnet. Da purzeln schwere mit ganz leichten Fragen durcheinander, da geht es im Sekundenabstand um Kiffen, Party, Haustiere, Lebensfragen und um einen Astronauten, in den Cyrus verliebt war. Das alles in rohen, psychedelischen Songskizzen, die kein Plattenfirmen-Gremium überleben würden. Das ist wahnsinnig banal, dann wieder von berührender Direktheit; und es bricht den letzten Rest an Regeln, die es im Pop nach Punk noch gegeben hat. Gut so!
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