"Midnight Cowboy": Der Film ließ die Weltliteratur vergessen

"Midnight Cowboy": Der Film ließ die Weltliteratur vergessen
Der Roman, der Dustin Hoffman - Bild oben: in Cannes, 2017 - weltberühmt machte, begeistert und erschüttert in neuer Übersetzung.

 „Everybody’s talkin’ at me,
I don“t hear a word they
saying,
only the echoes of my mind...“


Joe Buck  zieht seine Cowboy-Montur an,  er schaut  in den Spiegel und gefällt sich sehr und geht,
Der Tellerwäscher aus Texas, der Cowboys nur aus dem Fernsehen kennt, fährt in die große Stadt.
Es kann losgehen.
Ohne dass er weiß, was losgehen kann.
Dazu singt Harry Nilsson den Song seines Lebens.
So  beginnt John Schlesingers Film „Midnight Cowboy“ (= Asphalt-Cowboy). Er gewann 1969 drei Oscars, machte Dustin Hoffman und Jon Voight zu Stars, und nach dem Fremdschämen am Anfang musste man bitter weinen, spätestens bei der Umarmung mit dem toten  Freund am Schluss.
James Leo Herlihy, der die Vorlage schrieb, nahm am Erfolg teil, aber im Gegensatz zum Filmklassiker ist sein Roman bald vergessen worden.
Er ist Weltklasse.
In diesem starken Bücherjahr erscheint er in neuer Übersetzung und begeistert und erschüttert: Einen noch einsameren Menschen kann es kaum geben, einen noch stärker Liebenden auch nicht.
Joe Buck in den 1960ern in New York, gelandet in einem Stadtteil, in dem Drogen und Prostitution die Hauptrollen spielen:
Mit Hut, Pomade, naivem Narzissmus und schwarz-weißem Pferdelederkoffer wäre er vor die Hunde gegangen, hätte er nicht Ratso Rizzo getroffen, einen kleinen Gauner, aus Italien stammend, nach Kinderlähmung gehbehindert.
Autor James Leo Herlihy hat viel Sex eingebaut, Joes Sex mit Frauen. Aber der falsche Cowboy und „echte“ Mensch Joe Buck ist bisexuell, und „Midnight Cowboy“ ist ein versteckt schwuler Roman.
Im Nachwort der Neuausgabe meint Übersetzer Daniel Schreiber (übrigens erster Biograf von Susan Sontag): Die Kraft des Buches, sein Leuchten und seine Wucht speisen sich daraus, dass zwischen den Zeilen das ganze schwule Glück der Welt versammelt sei.
Herlihy , 1993 gestorben, hat sich nach dem Erfolg und dem Vergessenwerden rasch  aus dem Literaturbetrieb zurückgezogen.

(Weiter im Liedtext, frei übersetzt:)
 „Ich gehe dahin, wo die Sonne immer scheint,
Durch den strömenden Regen ...
Segle mit einer Sommerbrise
Und Hüpfe übers Meer wie ein Stein.“

 

James Leo Herlihy:
„Midnight
Cowboy“ Neu übersetzt von
Daniel Schreiber.
Blumenbar
Verlag.
272 Seiten.
20,60 Euro.

KURIER-Wertung: *****

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