Michael Moore definiert die US-Invasionspolitik neu
Michael Moore meldet sich zurück. Sein jüngster Streich "Where to Invade Next" feierte beim Toronto International Film Festival Premiere. Doch wer sich auf die typisch polemischen Anti-USA-Hasstiraden des streitbaren Regisseurs freut, wird enttäuscht. Festivalbesucher und Filmkritiker sind sich trotzdem einig, dass Moores neuester Film die beste Arbeit seit seinem "biggest hit" "Fahrenheit 9/11" ist.

Tödliche Waffengesetze, eine auseinanderdriftende Zwei-Klassen-Gesellschaft, George W. Bush und Familie, die machtbesessene Wall Street - mehr und mehr wurde der Mann mit der ausgetragenen Kappe zum Sprachrohr für Menschen, die sich von der Regierung im Stich gelassen fühlen. Moores Glaube an die kathartische Wirkung seiner Filme scheint bis heute ungebrochen. Doch in "Where to Invade Next" hat "der Linke", wie er in den USA genannt wird, eine neue Taste auf seiner Kritik-Klaviatur entdeckt hat. Owen Gleiberman, Filmkritiker der BBC, behauptet sogar, Moore hätte mit 61 Jahren zu seinem "inneren Blumenkind" gefunden und würde nun auch die positiven Seiten des Lebens erkennen.
One-Man-Invasion
Für diesen Sinneswandel musste nur das Pentagon zurücktreten und die seit Jahren kläglich gescheiterte Invasionspolitik in die Hände des Filmemachers legen. Denn in "Where to Invade Next" sind es nicht die US-Streitkräfte, die in fremde Länder einmarschieren, Dörfer zerstören oder Menschen versklaven. Der neue Invasor ist Michael Moore selbst: "Du erreichst einen Punkt in deinem Leben, an dem du denkst, Dinge sollten sich ändern. Ich will Action." Deshalb reist der Regisseur in seinem Dokumentarfilm selbst in die verschiedensten Länder, hisst die US-amerikanische Flagge und stiehlt die beste Idee einer Nation, um sie in die "good old US of A" zu bringen.
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In Italien spricht er mit Arbeitern und Geschäftsinhabern und entscheidet sich, das Konzept einer starken Gewerkschaft an sich zu reißen. Den Franzosen klaut er das innovative Essensprogramm in den Schulkantinen und den Finnen das egalitäre Bildungssystem, dem sich das nordische Land verpflichtet hat. In Mitteleuropa macht er sich Deutschlands Wille, sich mit der dunklen Vergangenheit auseinanderzusetzen, zu Eigen und Tunesiens Ansatz, Frauen mehr Rechte zu geben, steht ebenfalls auf der Liste des Invasors.
Kritiker loben den Invasor
Kritiker, die seit Jahren Moores journalistische Methoden bemängeln, zeigen sich vom Film angetan. Für Justin Chang vom Branchenmagazin Variety ist "Where to Invade Next" ein "cineastisches Statement zu ideologischen Prinzipien" des 21. Jahrhunderts. Die USA müssten die Ideen anderer Länder verstehen, um sich zu ihren eigenen zu bekennen, so Chang weiter. Auch die kanadische Kulturjournalistin und Filmkritikerin Sarah Kurchak sieht es ähnlich und schreibt, dass der Filmemacher vom lamentierenden Diagnostiker zum positiven Praktiker wurde. "Where to Invade Next" zeige nicht nur, was andere Staaten besser machen als die USA, sondern was die USA von anderen Staaten lernen kann.
Der Telegraph-Journalist Tim Robey kritisiert zwar, dass Moore wenig Interesse daran habe, Details über einzelne Ideen zu liefern und somit auch das große Ganze der invadierten Länder vollkommen ignoriert, schreibt aber auch, dass "Where to Invade Next" durch "Witz und Charme [...] das wohl interessanteste Projekt seit Fahrenheit 9/11" ist.

Ein politisches Statement konnte sich Moore jedoch nicht verkneifen: Auf seinem Eroberungsfeldzug in Island kommt der Regisseur zum Schluss, dass die "Testosteron-verfaulte Denkweise der USA", die unter anderem zur weltweiten Bankenkrise geführt habe, einen Schuss mehr Östrogen vertragen könnte.
Worauf Moore anspielt, ist klar: Hillary Clinton for President.
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