Selbst Drummer Lars Ulrich gibt zu, dass er sich damals nicht sicher war, wie es mit Metallica weitergehen wird, glaubt aber, dass diese Zeit den Sinn der Bandmitglieder dafür stärkte, dass „Metallica für uns wie Familie ist, und man in Gesundheit und Krankheit, in Höhen und Tiefen vereint ist.“
Dass Hetfield, Ulrich, Gitarrist Kirk Hammett und Bassist Rob Trujillo perfekt aufeinander eingestimmt sind, ist in den zwölf neuen Songs von „72 Seasons“ gut zu hören. Es mangelt dem Album auch nicht an Härte, Vitalität und permanent vorwärtsdrängender Energie.
Allerdings gibt es auch nicht viel, was man nicht schon auf anderen Alben dieser Band so ähnlich (und besser) gehört hätte. Klassiker wie „Moth To Flame“ vom vorigen Album bietet „72 Seasons“ kaum. Am ehesten könnten noch das rasende „Lux Aeterna“ und der Opener „72 Seasons“ dazu werden. Die Wut und die Verzweiflung, die Hetfield damit in den Äther speit, ist greifbar und echt. Anderorts wirken Metallica aber, als würden sie früher gefundene Formeln und Riffs neu aufkochen, weil man eben grade neue Songs braucht. Eine Dringlichkeit, etwas auszudrücken, was auf der Seele brennt, ist selten zu spüren.
Und das, obwohl Hetfield, wenn er von Operationen am offenen Herzen spricht, meint, dass er die Texte dieser Songs so offen und persönlich wie nie gehalten hat. Während der Pandemie kämpfte er nämlich nicht nur gegen Depressionen und die Sucht, sondern auch mit Eheproblemen, die Ende 2022 zur Scheidung führten.
„In den Texten war ich mehr als früher bereit, mein Herz zu öffnen und zu erzählen, was in meinem Leben vorging“, erzählte er der Metallica-Fanclub-Plattform So What!. „Ich hatte selbst Ängste, was es für die Band bedeutet, wenn ich in den Entzug gehe. Ich wollte, dass die Band weiterläuft, wäre lieber vor all dem davongelaufen, aber ich musste mich den Problemen stellen. Persönliche und mentale Gesundheit muss Priorität haben.“
In dieser Zeit hat sich Hetfield oft gefragt, wie seine Depressionen und Ängste mit der Kindheit zusammenhängen. Denn der Vater hatte die Familie verlassen und seine Mutter starb an Krebs, als er ein Teenager war.
„Der Albumtitel spielt auf die ersten 18 Jahre des Lebens an“, sagt er. „Er sollte eigentlich ,72 Seasons Of Sorrow‘ heißen. Denn man fragt sich: Geht es mir so, weil das und das in der Jugend passiert ist? Kann ich das ändern? Aber an der Vergangenheit festzuhalten bringt nichts. Nur zu versuchen, meine Vergangenheit anders zu sehen, hat mir geholfen. Deshalb gibt es in diesen Songs auch Hoffnung und Positives, weshalb ich das ,Sorrow‘ dann aus dem Titel verbannt habe.“
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