Meg Stuart und Katze Maggie bei ImPulsTanz: Abgründige Tänze auf dem Vulkan
Trajal Harrell begeisterte bei ImPulsTanz mit „Maggie The Cat“ im Akademietheater. Bei der Uraufführung von Meg Stuarts „Cascade“ waren im Volkstheater noch stilistische Brüche sichtbar.
20.07.21, 09:09
(Von Silvia Kargl)
Mit zwei Stücken, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, gibt das ImPulsTanz Festival nach der Covid-19 geschuldeten einjährigen Zäsur in der Eröffnungswoche ein starkes Lebenszeichen.
Trajal Harrells „Maggie The Cat“ entstand 2019 und gastierte als österreichische Erstaufführung im Akademietheater. Harrell nimmt Tennessee Williams‘ Drama „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ als Ausgangspunkt für ein wunderbares Tanztheater, in dem er den letztmöglichen, katzengleichen Absprung der sich in Lügen und Illusionen verstrickenden Maggie auf sein zehnköpfiges, hervorragendes Ensemble überträgt.
Big Mama
Als Big Mama leitet und animiert Harrell die Tänzerinnen und Tänzer von der Bühnenseite aus. Er übersetzt nicht einfach das Theaterstück in Tanz, sondern lässt die bei Williams anonymisierte Dienerschaft eine amerikanische Südstaaten-Atmosphäre gestalten.
Stilistisch verlässt er sich dabei auf das von ihm einst in New York mitgeprägte Voguing, eine choreografische Weiterentwicklung des Catwalks und Posings auf den Laufstegen der Modeszene. Genderfluide Kostüme sind seit vielen Jahren fixer Bestandteil dieses Genres.
Wie Harrell die Dienerschaft allein mittels dieser an sich einfachen, stylischen und wandelbaren Kostüme und Requisiten in Verbindung mit Körpersprache und Gesten zur Geltung bringt, hat große Klasse, inklusive dem enormen Drive, den die umjubelte Aufführung entwickelt. Ein Meisterwerk!
Drive nimmt auch Meg Stuarts Uraufführung von „Cascade“ (zu sehen im Volkstheater) auf. Allerdings sieht man diesem Stück die insgesamt neun Anläufe zu einer Aufführung vor Publikum an.
Brüche werden sichtbar, wenn die sieben Performerinnen und Performer von Stuarts Compagnie Damaged Goods in einem Stück mit starken Bildern zwischen Aufstieg und Fall antreten.
Zertrümmerung
Am Beginn steht ein Tänzer in Philippe Quesnes wandelbarer Bühneninstallation am Abgrund wie einst Caspar David Friedrich in seinem berühmten Bild auf den Kreidefelsen von Rügen.
Stuarts Choreografie steht jedoch – im Zusammenwirken mit einer Komposition Brendan Doughertys und Live-Percussion – für eine Zertrümmerung der Romantik. Der Boden unter den Füßen wackelt in Zeiten einer Pandemie. Die akrobatischen Einlagen und spektakulären Sprünge führen fast bis zum Abgrund.
Sie ergänzen das für Dekonstruktion bekannte Vokabular Stuarts, das diesmal auch auf Texte von Tim Etchells zurückgreift.
Götterdämmerung
Aino Laberenz schuf dazu tolle Kostüme, die zwischen Verletzlichkeit und Schutzschild changieren.
Als Kontrast dazu wirken entschleunigte, etwas zerdehnte Bilder gleichsam als Blick durch die rosarote Brille wie eine Art Götterdämmerung im Tanz.
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