Medienbranche braucht "Piratenspirit"

Die Medien brauchen mehr "Mut zur Meinung" – und "Piratenspirit", sprich den Wagemut, Althergebrachtes durcheinanderzuwirbeln. Denn nur durch Erneuerung und klare Haltungen könnten sich die Printmedien im Internetumfeld abheben, sagte der deutsche Mediengründer Wolfram Weimer (Cicero) im KURIER-Gespräch. Gut genutzt, seien die Vorteile des Internets für den Qualitätsjournalismus "dramatisch".
Zuvor hatte Weimer beim zweiten Tag des Qualitätsjournalismus des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) mit einer skeptischen Eröffnungsrede zur "Verflachung" der Medien und der Kultur Widerspruch unter den versammelten Chefredakteuren geerntet. "Die neuen Medien bieten viele Möglichkeiten", betonte etwa Helmut Brandstätter (KURIER). Man könne auch im Print durch "einfache Darstellung" vieles erklären und so besser zugänglich machen.
Druck
Dennoch war man sich einig: Qualitätsjournalismus ist unter Druck geraten. Wirtschaftliche Zwänge (weniger inhaltlich denn strukturell) und auch rechtliche Auseinandersetzungen spielen dabei eine zunehmende Rolle. Aber auch die geplante Kürzung der Presseförderung bringe die "demokratiepolitischen Aufgaben" der Zeitungen "massiv in Gefahr", sagte VÖZ-Präsident Hans Gasser.
Die Ausbildung von Journalisten und auch objektive Berichte aus dem Ausland seien "Leistungen für das Land", betonte Brandstätter, und kündigte Druck auf die Regierung in Bezug auf die Presseförderung an.
Qualität sei das stärkste Argument, um der "Gratismentalität" bei Zeitungen und im Internet entgegenzutreten, sagt Gasser. Im Online-Umfeld brauche es jedoch ein "neues, schlagkräftiges Urheberrecht und ein Leistungsschutzrecht", um dem Qualitätscontent eine "tragfähige Zukunft" zu geben.
Die Sehnsucht nach der gut geschriebenen Geschichte
Skandinavien gilt bei Zeitungsmachern als eine der wichtigsten Kreativschmieden der Welt. 2011 war Politiken aus Kopenhagen Europas Tageszeitung des Jahres. Dieses Jahr geht die Auszeichnung erneut nach Kopenhagen – an Berlingske, Dänemarks älteste heute noch erscheinende Tageszeitung (Auflage 98.000).
Berlingske-Chefredakteurin Lisbeth Knudsen ist ab Montag beim European Newspaper Congress 2012 in Wien zu Gast. Dem KURIER erzählte Knudsen vorab, warum Entschleunigung und Tageszeitung kein Widerspruch sind.
KURIER: Was hat es mit der "Entschleunigung", die Sie propagieren, auf sich?
Lisbeth Knudsen: Wir haben die Berlingske, ursprünglich eine traditionelle Nachrichtenzeitung, mit einem Magazin verbunden, wir nennen das "Newszine". Die sogenannten schnellen Nachrichten werden hauptsächlich im Internet gelesen. Die gedruckte Zeitung hingegen soll, ohne ihren Anspruch auf Nachrichtenvermittlung zu verlieren, mehr Hintergrund bieten. Sie muss tiefgründiger sein, mehr Analysen und Perspektiven bieten. Wir wollen intelligente Nachrichten liefern.
Und das Internet kann nicht intelligent sein?
Dort finden Sie "News-snacks". Aber wenn Sie verstehen wollen, was dahinter steckt, dann greifen Sie zur gedruckten Zeitung.
Wie funktioniert das in Ihrer Redaktion? Arbeiten dieselben Leute für Internet und Print oder sind es zwei verschiedene Teams?
Wir haben einen integrierten Newsroom, und unsere Redakteure arbeiten sowohl für Internet als auch für Print. Wir wollen die Story aus dem traditionellen Schema des Nacherzählens herausnehmen und sie ins Morgen transportieren. Die nächsten Schritte der Geschichte erkennen und fragen: Wie wird sich das auswirken? Agenda-Setting, investigativer Journalismus – in diese Bereichen investieren wir massiv.
Es heißt doch, die Leute haben keine Zeit zu lesen.
Studien zeigen eindeutig: Die Leute wollen lesen, und zwar längere Geschichten. Junge benutzen sogar ihre Smartphones für lange Storys. Die Leute wollen in neuen Formaten lesen. Der Genuss, gut geschriebene Geschichten zu lesen, gehört wieder in den Vordergrund.
INFO: 13. European Newspaper Congress, 7.–8. Mai, Congress Center Messe Wien. Schwerpunkte: visual Storytelling, Einbindung der sozialen Medien. www.newspaper-congress.eu
Kommentare