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ORF-Doku: „Heute wird nur gejazzt, in Ost oder West“

ORF-Doku: „Heute wird nur gejazzt, in Ost oder West“
ORF-Doku folgt dem Jazz in Österreich nach 1945. „Jazztag“ im Radio Ö1 am 30. 4.

Der „Gulda-Fritz“ war wichtig. Denn als etablierter klassischer Klaviervirtuose brachte er, Friedrich Gulda, Seriosität – und die konnte der Jazz, unter den Nazis verfemt und von den ordnungsliebenden Österreicherinnen und Österreichern nach dem Krieg äußerst kritisch beäugt, gut brauchen.

Die Doku „Jazz in Österreich – von der Befreiung zum Neubeginn“, die ORF 2  am Sonntag  (22.15) im Rahmen des Schwerpunkts „80 Jahre Zweite Republik“ sendet, erzählt ein aufschlussreiches Stück Kulturgeschichte: Denn der Übergang „vom faschistischen Gleichschritt zum leichtfüßigen Swing“ traf in Österreich auf besondere Voraussetzungen.

Der Einzug der US-amerikanischen Musik nach Jahren der Repression, die freilich lange nachwirkte, hatte zur Folge, dass das Land einige der besten und innovativsten Jazzmusiker Europas hervorbrachte, den Jazz aber auch in außergewöhnlich verhaltener Weise in die Schlager- und Tanzmusik der Nachkriegszeit einschleuste.

Hüftsteif swingen

Ein Archivschnipsel, in dem ein hüftsteifer Peter Weck das zelebriert, was er unter Jazz versteht („Jeder spielt ... was er fühlt ...“) erzählt viel darüber, wie Jazz in harmlose Dosen zerteilt wurde, während Unterhaltungskünstler ihrer Leidenschaft für die Musik oft im halb Geheimen frönten.

Dem gegenüber stand eine aufsässige Riege von Individualisten wie Hans Koller und Joe Zawinul, die ihre Kompromisslosigkeit zelebrierten – und dabei mitunter auch reichlich Arroganz an den Tag legten, wie der Musiker und Zeitzeuge John Fischer an einer Stelle formuliert. Mit der Gründung des Jazz-Instituts in Graz 1965 wurde diese Haltung institutionalisiert, was einerseits eine Pionierleistung, innerhalb des formalisierten österreichischen Musikbetriebs aber wohl auch eine Notwendigkeit war. Die damals geschaffene Infrastruktur prägt die Szene bis heute.

Die Doku wartet mit vielen Archivschätzen auf, Alt-Bundespräsident und Jazzfan Heinz Fischer, Publizist und Ex-Kreisky-Sprecher Johannes Kunz sowie Trompeter Thomas Gansch gehören zu den Erzählern, die die Gestalter Andreas Felber und Dietmar Petschl vor die Kamera baten. Mit Sängerin Elly Wright und Historikerin Elisabeth Kolleritsch sind zwei Frauen dabei, die die Männerlastigkeit des Betriebs aber nur bestätigen können.

Der ORF feiert die Doku als „modellhafte Zusammenarbeit“ seiner TV- und Radio-Redaktion. Letztere begeht am 30. April auf Ö1 zum 9. Mal den „International Jazz Day“. Zahlreiche Sendungen widmen sich dabei dem Jazz und seiner künstlerischen wie gesellschaftlichen Innovationskraft. Michael Huber

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