„Österreichs wunderbare Jahre“: Prominente erzählen aus ihrem Leben

Beatrix Neundlinger und die Milestones erregten Interesse beim RAF-Umfeld
Von Hoffnungen, Träume und Revolutionen: Die neue Doku-Reihe auf ServusTV führt auf eine sehr spezielle Zeitreise (ab Freitag, 21.10 Uhr)

„Wir leben in den 1950er-Jahren. Wir schauen nur nach vorn. Wir bauen auf. Wir glauben an Österreich“, heißt es liebevoll-ironisch zum Start der ServusTV-Reihe „Österreichs wunderbare Jahre“ (Freitag, 21.10). Gerhard Jelinek und Birgit Mosser-Schuöcker entführen darin auf eine etwas andere Reise durch die Jahrzehnte (fast) bis heute, in der nicht die Politik oder historische Ereignisse die Hauptrolle spielen, sondern Menschen.

„Die Idee war, Persönlichkeiten über ihre wunderbaren Jahre erzählen zu lassen, in persönlichen Interviews das Lebensgefühl von damals zu spiegeln und das Zeitgeschehen nachvollziehbar zu machen“, erläutert Jelinek. Mehr als 60 prominente Zeitzeugen geben Einblicke in ihr Leben – und auch in „wilde Geschichten.“ Für jüngere Zuschauer werde es das eine oder andere Aha-Erlebnis geben, und ältere können da und dort in Erinnerungen schwelgen, so Jelinek.

„Österreichs wunderbare Jahre“: Prominente erzählen aus ihrem Leben

Waltraus Haas erzählt von ihren Begegnungen mit Toni Sailer und Hans Moser

Den Auftakt machen die 50er-Jahre, „die besten in diesem Jahrhundert“, meint Rudi Sailer. Er ordnet auch die kurze wie große Ski-Karriere von Bruder und Olympiasieger Toni Sailer ein, der im Film mehr verdienen konnte als in vielen Jahren Sport und sich dazwischen entscheiden musste. Vor der Kamera stand Toni bei „Der schwarze Blitz“ mit „Mariandl“ Waltraud Haas, die sich gern daran erinnert und auch erzählt, wie sie zum Star wurde. Und Sepp Forcher sagt: „Wir haben das Leben nach unserem Vermögen in vollen Zügen genossen“ – auch wenn’s nicht leicht war.

Nicht bloß süß

Doch diese Pammer-Film-Produktion ist kein zuckersüßes Potpourri: Herlinde Molling erzählt etwa, wie sie als junge Südtirol-Aktivistin einen Sprengstoff-Transport mit einem autostoppenden Carabinieri als Beifahrer tarnte. Aber auch, dass sie zunächst nicht heiraten wollte, weil so der Mann zum Familienoberhaupt wurde und sie ihre Freiheit weiter haben wollte. Die Schauspielerinnen Erni Mangold und Topsy Küppers reden über den Nachkriegsmief.

„Österreichs wunderbare Jahre“: Prominente erzählen aus ihrem Leben

Südtirol-Aktivistin Herlinde Molling absolvierte Sprengstoff-Transport mit Carabinieri als Beifahrer

Teddy Podgorski schildert, wie er als Reporter beim Schnitzerl revolutionären Demonstranten erklärte, welche Art Bilder er wollte, weil das Filmmaterial zur Neige ging. Und Beatrix Neundlinger gibt Einblicke ins Musikanten-Leben Anfang der 70er – inklusive RAF-Berührungen und Zehennägel auf dem WG-Tisch.

Für die tatsächliche Revolution im Land hat für Jelinek die Digitalisierung gesorgt: „Erst in der Rückschau wird klar, was sich ab Ende der 80er-Jahre in Österreich entwickelt hat und wie weit man da schon war – von max.mobil bis Social Media, noch bevor es Facebook gab.“

„Österreichs wunderbare Jahre“: Prominente erzählen aus ihrem Leben

Mit 10 Jahren kam die heutige Justizministerin Alma Zadić nach Österreich und war beeindruckt von Schokolade

Als einzige Politikerin, außerhalb der kurzen Meldungsblocks, ist Justizministerin Alma Zadić dabei. Mit 10 Jahren kam sie als Kriegsflüchtling nach Österreich und erzählt, was sie damals beeindruckte: Schokolade.

Österreich, das wird klar, blieb über Jahrzehnte von substanziellen Krisen verschont – bis jetzt. Corona hat auch die Dreharbeiten für die Doku-Reihe beeinflusst. Nicht nur einmal. „Wir standen bei Helmut Marko vor Tür und mussten umdrehen, weil ein Team-Mitglieder als Kontaktperson geführt wurde – bis die Fehltestung belegt war.“

Ein Gutteil des Materials für die Servus-Reihe stammt übrigens vom ORF, für den Jelinek sonst Zeitgeschichte-Dokus produziert. „Ich wünsche mir da noch viel mehr Kooperation. Warum sollte im Doku-Bereich nicht möglich sein, was bei Sport, Shows und Film geht? Es ist wichtig, dass es qualitätsvolle österreichische Produktionen gibt – je besser finanziert, desto besser fürs Publikum.“

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