Ioan Holender über seine Begegnungen mit Dietrich Mateschitz: "Immer neugierig"

Ioan Holender über seine Begegnungen mit Dietrich Mateschitz: "Immer neugierig"
Wie der ehemalige Staatsopernchef zu Servus TV kam - und wie er Mateschitz sah (Von Ioan Holender).

Es war in meinem letzten Jahr an der Staatsoper vor 13 Jahren, als der mir damals unbekannte Fernsehsender ServusTV ansuchte, einen Bericht darüber zu drehen, wie eine Neuinszenierung in der Staatsoper entsteht. Ich habe dieser unerwarteten Anfrage zugestimmt, und es wurde eine hervorragende und lehrreiche Sendung. Ich wollte mich beim Initiator der Sendung, Dietrich Mateschitz, bedanken, so lernte ich ihn kennen.

Ein gut aussehender Mann mit grauem Stoppelbart, als dies noch nicht in Mode war. Er saß in einem kleinen Büro im Flughafen Hangar-7, gekleidet mit einem karierten Flanellhemd, im Eck seine sportive persönliche Mitarbeiterin vor einem Computer, in den sie alles notierte, was gesprochen wurde. Als Gesprächspartner war er stets äußerst aufmerksam, dabei bewahrte er Distanz, ließ im Gegenüber tiefes Vertrauen erwecken. Ein Wort oder ein Handschlag hatte bei ihm Vertragswert. Das Besprochene kommunizierte die anwesende Mitarbeiterin allen betroffenen Mitarbeitern, das Notierte wurde umgehend vollzogen.

Das Angebot

Zu meinem großen Erstaunen fragte er mich bei unserem Kennenlernen, ob ich bei seinem Sender ServusTV Gespräche mit bekannten und auch weniger bekannten Opernleitern führen würde und dabei auch Opernhäuser vorstellen und deren Aufführungen dem Zuseher näher bringen möchte. Vor allem die altösterreichischen Gebiete lagen ihm am Herzen. Ich erinnere ihn an den früheren Fernseh- und Radiomoderator Heinz Fischer-Karwin durch meine wissende, distanzierte und leicht arrogante Art. Da ich Fischer-Karwin sehr bewundert hatte und das Angebot sowie den Mann vor mir in seiner direkten Art sehr sympathisch fand, sagte ich zu, nicht ohne ihm zu sagen, dass ich so etwas aber noch nie gemacht hätte.

In den letzten 13 Jahren besuchte ich Dietrich Mateschitz immer wieder, und ich lernte seine Ansichten über Politik, Geschehnisse, Sportereignisse und anderes kennen. Ich bewunderte die Sammlung von alten Flugzeugen, die im Hangar für jeden gratis anzuschauen sind, dann das Stadion mit der Tribüne und die seit Jahren turmhoch beste Fußballmannschaft Österreichs, die entstanden ist mit jungen Fußballern, die in der eigenen Talentschmiede ausgebildet werden und zu teuren Weltstars herangebildet werden.

Mateschitz zeigte mir die Rennstrecke in Zeltweg, die durch ihn entstand und die Österreich Weltrang im Autorennen verlieh. In Fuschl am See bewunderte ich den von Jos Pirkner konzipierten Bürokomplex für Red Bull samt einem Kunstsee und einer Riesen-Bronzeskulptur, wobei er wie ein Renaissancefürst dem Architekten bei seinem Konzept finanziell freie Hand ließ.

Die Themenwahl

Auf meine seinerzeitige Frage, worüber ich in meinen Kultursendungen berichten möge, antwortete er: „Drehen Sie, was Ihnen gefällt, dann wird es auch anderen gefallen.“ Mateschitz hatte einen sicheren unfehlbaren Instinkt für das, was er anpackte und was nicht. Genauso für Menschen, die er mied oder förderte. Er war weit entfernt davon, ein Selbstdarsteller zu sein, und verachtete Menschen, die mehr vortäuschten zu sein, als sie waren.

Als man in seinem Fernseh-Unternehmen einen Betriebsrat installieren wollte, stellte er sofort jegliche Aktivität ein und entließ sämtliche Angestellte. Auf deren Bitte machte er am nächsten Tag doch weiter. Mateschitz war sein bester Betriebsrat ohne Gewerkschaft. Die 3.000 Euro netto als Teuerungsausgleich zahlte er sofort allen Mitarbeitern.

Die Unterstützungen

Kultur war ihm – auch wenn er sich auf anderen Gebieten besser auskannte – ein großes Anliegen. So entstanden Wagnisse wie eine Opern-Aufführung von Mozarts „Entführung“ im Hangar-7. Da kamen zwei unterschiedliche Welten an einem Abend zusammen. Er unterstützte zahlreiche Künstler und Projekte, die etwas Neues wagten, er war immer neugierig und offen. Einige seiner Engagements in der Kulturwelt waren bekannt, andere nicht. Vieles unterstütze er anonym.

Dem durch einen Skandal-Journalisten und die Tagespolitik verfolgten genialen Dirigenten Teodor Currentzis verhalf er unaufgefordert zur Gründung seines neuen Orchesters Utopia. Die Steiermark, seine Steiermark liebte er über alles, und er blieb in deren Boden stets verwurzelt. Nicht nur Österreich verliert durch den Tod von Mateschitz eine außerordentliche Persönlichkeit, einen Menschen, der im besten und tiefsten Sinne dieses Wort verdient. Er wird uns allen fehlen.

Der Autor war längstdienender Direktor der Wiener Staatsoper und gestaltet für ServusTV Kultursendungen

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