Interne Razzia beutelt die Redaktion der "Süddeutschen Zeitung"
Die "Süddeutsche Zeitung", ein Flaggschiff des deutschen Qualitätsjournalismus, wird von einem internen Skandal gebeutelt.
Die Chefredaktion soll mit Billigung des Betriebsrats und des Redakteursrats dienstliche Festnetz-Telefone und Mails durchsucht haben, um jene Person ausfindig zu machen, die Informationen über Verfehlungen der stellvertretenden Chefredakteurin und die interne Debatte darüber nach außen gab.
Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" äußerte sich kritisch zu diesem Vorgehen und sieht den Quellenschutz in Gefahr. Die SZ-Führung selbst argumentiert, dass die Maßnahmen zum Schutz des Redaktionsgeheimnisses getroffen worden seien.
Ausgangspunkt war ein Bericht des Branchenportals "Medieninsider" gewesen, der der stellvertretenden Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid (ehemals "Standard") den unsauberen Umgang mit Quellen attestierte.
Sie soll ohne Kennzeichnung ganze Textpassagen aus anderen Medien übernommen haben. Wie die "Berliner Zeitung", die wiederum aus den Paywall-geschützten Inhalten des Branchenmediums zitiert, berichtet, soll danach die Wogen hochgegangen sein.
In einer internen Redaktionskonferenz kam die Belegschaft eher zufällig dahinter, dass die Chefetage nach einem "Maulwurf" gesucht habe. Dass es "keine Einsicht in E-Mails", sondern nur in Verbindungsdaten gegeben habe, wurde später beteuert. Intern soll die Aktion von zahlreichen gestandenen Redakteurinnen und Redakteuren kritisiert worden sein.
Datenverkehr
Nachdem mehrere Medien das Thema am Wochenende aufgegriffen hatten, publizierte die Süddeutsche Zeitung am Montag einen langen Text, in dem Chefredaktion, Betriebsrat und Redaktionsausschuss das Vorgehen rechtfertigten. Darin wurde betont, dass das, was in den Redaktionskonferenzen besprochen wurde, dem Redaktionsgeheimnis unterliege.
"Die Detailgenauigkeit und Fülle von Zitaten begründeten den Verdacht, dass offenbar die gesamte Konferenz abgehört bzw. womöglich gar aufgenommen und im Wortlaut an Dritte weitergegeben worden war", heißt es in dem Schreiben.
"Wäre das so passiert, so handelte es sich nicht nur um einen Vertrauensbruch gegenüber den eigenen Kolleginnen und Kollegen, sondern möglicherweise sogar um eine Straftat nach Paragraf 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes). Um eine Verletzung des Redaktionsgeheimnisses handelt es sich in jedem Fall."
Chefredaktion und Betriebsrat hätten in der Folge entschieden, keine Strafanzeige zu erstatten, sehr wohl allerdings, "überprüfen zu lassen, ob es Datenverkehr zwischen den IP-Adressen der Redaktion und des Branchendienstes gegeben habe". Der Redaktionsausschuss sei über diese Maßnahme erst "im Nachhinein" informiert worden. Dass Postfächer geöffnet oder Telefonate abgehört worden seien, treffe nicht zu.
Föderl-Schmid freigestellt
Am Montag habe man zusätzlich entschieden, die Vorwürfe gegen Föderl-Schmid von einer externen Kommission überprüfen zu lassen. Die Journalistin habe zusätzlich die Universität Salzburg beauftragt, ihre Dissertation prüfen zu lassen - Grund dafür sei, dass der Salzburger Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber nach eigener Darstellung "Plagiatsfragmente" in der Dissertation festgestellt habe. BHis zum Abschluss der Prüfungen würde sich Föderl-Schmid aus dem operativen Geschäft zurückziehen, hieß es in dem Schreiben.
Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 3. 2. publiziert und am 5. 2. mit Inhalten des SZ-Schreibens aktualisiert.
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