Die Wurfscheibe namens Helene: Eine Sängerin patentiert sich

Helene Fischer bei einem ihrer höchst lukrativen Konzerte.
Helene Fischer, Frau der Rekorde, hat sich am Patentamt fast alles sichern lassen. Das ist nur konsequent.

1270 Worte sichern die Expansion in alle Richtungen ab: Helene Fischer hat ihren Namen beim Patentamt schützen lassen und erweiterte die Liste möglicher Produkte, die unter ihrer Marke herauskommen dürfen, um „Wurfscheiben“, „Zündblättchen“, „Florette zum Fechten“ oder aber auch „Toilettendeckelüberzüge“. Man weiß nie, wonach sich die Fans sehnen.

Im Vorjahr wurde Helene Fischer um 20.000 Euro versteigert. Für ein Meet & Greet zu einem guten Zweck. Atemlos vermerkte die Schlagerplattform Schlagerfieber.de: „Dies ist ein absoluter Rekord“. Fischer lag laut dem Portal deutlich vor dem bisher Zweitplatzierten, David Garrett, der nur 14.000 Euro erzielte.

Man kann über die Plattitüden in der Schlagerbranche lächeln, die trostlosen Projektionen der Fans bemitleiden, aber unterm Strich kommt zumindest bei einer Künstlerin heraus: Helene Fischer verkaufte sich in den vergangenen Jahren besser als Freibier.

Über-Helene

Das Marktforschungsinstitut GfK, das für die deutschen und die österreichischen (Ö3-)Charts verantwortlich ist, widmete der Künstlerin jüngst eine Jubelaussendung, in der tatsächlich die Wortfolge „Über-Rekord“ vorkam. Eine mehr als peinliche Feststellung – wenn sie nicht durch beeindruckende Fakten gedeckt wäre:

  • Helene Fischer stand mit ihren Alben in vier der letzten fünf Jahre an der Spitze der Charts. Das ist noch keinem anderen Künstler und keiner anderen Künstlerin seit Start der Offiziellen Deutschen Charts gelungen. Damit hat sie den Erfolg des bisherigen Rekordhalters Herbert Grönemeyer (zwei „Alben des Jahres“) verdoppelt.
  • „Atemlos durch die Nacht“ ist in Deutschland das am häufigsten heruntergeladene Lied aller Zeiten – mit rund 1 Million Downloads.
  • Helene Fischer ist mit 215 Millionen Abrufen die meistgestreamte deutsche Sängerin. Ihre beliebtesten Songs im Musik-Streaming sind „Atemlos durch die Nacht“, „Herzbeben“ und „Ich will immer wieder... dieses Fieber spür’n“.

Das sind nur drei der zehn von GfK aufgelisteten Errungenschaften. Beim Echo 2018 räumte sie sowieso ab (der Preis, der wegen der Verleihung an den mit antisemitischen Codes spielenden Rapper Kollegah heuer eingestampft wurde, richtet sich schließlich nach Verkaufszahlen).

Nihilistisch anmutend

Was macht Helene Fischer also aus?

Übelmeinende Beobachter betrachten ihre fast nihilistisch anmutende Glätte als die geeignete Projektionsfläche für diffuse Sehnsüchte aller Art. Fischer wirkt derart antiseptisch, dass im Titel der KURIER-Kritik zu ihrem Februar-Konzert in der Stadthalle das Wort „atomlos“ gebraucht wurde.

Die gebürtige Russin ist möglicherweise die bekannteste Figur, die im Grenzgebiet zwischen Pop und Schlager auf beiden Seiten wildert. Sie ist aber nicht die einzige. Der deutschsprachige Pop, der nicht Rap oder dezidierter Rock ist (nur Rapper sind übrigens ähnlich erfolgreich wie die Sängerin), klingt zunehmend wie eine weichgespülte germanische Auslegung amerikanischer Fahrstuhlmusik.

Wie sinnentleert die Texte zuweilen geraten, demonstrierte der Comedian Jan Böhmermann im Vorjahr, als er Schimpansen Versatzstücke aus zeitgenössischen deutschen Popstücken montieren ließ und daraus einen Song strickte, der erstaunlich stimmig klang. „Menschen Leben Tanzen Welt“ war zwar eine Parodie auf Max Giesinger, chartete aber nichtsdestotrotz. Künstlerische Authentizität schien selten unterbewerteter. Im Schlager macht man sich über solche Kategorien prinzipiell keine Gedanken. Wobei dem Hang zum Schlager etwas durchaus Deutsches innewohnt: Wer sich die größten Hits von Herbert Grönemeyer anhört, wird auch nicht immer ganz trennscharf drüber befinden können: Ist das Pop? Liedermacher-Kunst oder doch ein bisschen – hüstel – Schlager?

Aber wie gut steht die Aktie Helene Fischer aktuell? Im Frühjahr hatte die Sängerin nach krankheitsbedingten Absagen ein frenetisch bejubeltes Comeback hingelegt. Die Tour, die sie nun ins Wiener Praterstadion führt, deutet auf leichte Sättigungseffekte hin: Die Tournee ist nicht ausverkauft.

Sollte die künstlerische Karriere finanziell ins Stocken geraten, kann Fischer ja von ihren Patenten Gebrauch machen und Wurfscheiben produzieren.

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