Aus für "Barbara Karlich Show": Ende einer Ära, die bereits beendet war

Mehr als 40.000 Gäste waren bisher in der „Barbara Karlich Show“ (mittlerweile „Talk um 4“), die seit 1999 im ORF läuft
Gott, ist das peinlich!
Aus genau diesem Gefühl schöpfte ein TV-Format seinen Erfolg: Ab Mitte der 1990er wurden Talkshows der Hit im deutschsprachigen Nachmittagsfernsehen.
Die Ausgangslage für die „Daily Talks“ war ja durchaus günstig: Die Sendungen sind billig zu produzieren und füllen viel Zeit. Und sie fesselten jedenfalls anfangs die Menschen mit dem Gefühl, dass man hier hinter die Kulissen einer Öffentlichkeit ins Private der Menschen hineinschauen konnte, so klein und schräg das oft auch war. Es erzählten Bodybuilder von ihren Unterarmmuskeln, Zwillinge von ihrem Leben, es schilderten Sexworker ihren Alltag, Nachbarn ihre Streitigkeiten, Paare ihre Konflikte.
Vor allem aber bekamen hier Menschen erstmals im Medienzeitalter eine Bühne, die sie zuvor nicht hatten: In den Anfangsjahrzehnten des Fernsehens spielten „normale“ Menschen nur eine kleine Rolle. Das änderte sich, als die neu erblühenden Privatsender auf Quotenjagd gingen: Die Mischung aus Anschlussfähigkeit und Eigenartigkeit derjenigen, die sich in eine derartige Talkshow setzten, hatte man zuvor nicht gesehen.

Auch Arabella Kiesbauer ("Arabella") war Teil der goldenen Talk-Ära
Arabella
Eine der Vorreiterinnen des aus den USA („Oprah“) übernommenen Genres war eine Österreicherin: Arabella Kiesbauers quirlige Art machte ihre Talkshow (1994–2004) bei ProSieben zu einem frühen Erfolg – mit allen Elementen, die man dafür so braucht. „Wie bei anderen Nachmittagstalkshows kamen die Themen meist aus den Niederungen menschlichen Zusammenlebens, nicht selten fanden in der Sendung laute Wortgefechte zwischen den Gästen statt“, heißt es dazu recht trocken auf Wikipedia. Sie war damit nicht allein: Damals gab es eine wahre Schwemme an Talkshows. Bärbel Schäfer und Hans Meiser (RTL), Andreas Türck (ProSieben), Birte Karalus (RTL) und viele weitere fischten im selben Teich: Sie bewirtschafteten das, was man heute wohl Triggerpunkte nennen würde. „Natürlich gingen wir an die Grenzen“, sagte Kiesbauer einmal, denn das war das Konzept dieser Shows, themenmäßig nicht selten unter der Gürtellinie angesiedelt: „Frauen beraten Nieten im Bett“, „Männer sind schwanzgesteuert“, oder „Sein kleiner Freund, wie groß muss er sein?“
Der ORF kleidete dieses Format ab 1999 in öffentlich-rechtliche Umstände, zu einem Zeitpunkt, als die erste Welle der Talkshows bereits wieder vorbei war: Viele der Ur-Talker hörten Anfang der Nullerjahre auf – unter anderem, weil Reality Soaps billiger zu produzieren waren.
Barbara Karlich aber hob da erst an – und so richtig ab. Ihre Show wurde zur Rekordhalterin im deutschsprachigen Raum, kein anderer Talk existiert so lange. Mehr als 4.500 Sendungen wurden produziert, seit 2024 unter dem Namen „Barbara Karlich – Talk um 4“ und ohne Studiopublikum. Weiterhin zugegen sind allerdings je nach Thema unterschiedliche Expertinnen und Experten in die Sendung eingeladen: Gesundheitspsychologen oder – besonders wichtig – Lebens- und Sozialberater.
Die Show
Am 27. 10. 1999 lief die „Barbara Karlich Show“ zum ersten Mal im ORF. Mit bis zu 300.000 Zusehern in den Glanzzeiten war sie ein Quotenrenner am Nachmittag. Zuletzt erreichte man im Schnitt etwas mehr als 100.000
4.500 gesendete Folgen
bedeuteten am 11. Oktober 2024 den Rekord für die „meisten Talk-Show-Episoden einer Moderatorin“ im
deutschen Sprachraum. Mehr als 40.000 Gäste sind bisher in der „Barbara Karlich Show“ (mittlerweile „Talk um 4“) gesessen
Andere Talker
Hans Meiser (RTL, 1992 bis 2001), Jürgen Fliege (ARD, 1994 bis 2005), Bärbel Schäfer (RTL, ’95 bis ’02), Vera Int-Veen (Sat.1, ’96 bis ’06) Sonja Zietlow (Sat.1, ’97 bis ’01) Jörg Pilawa (Sat.1, ’98 bis 2000) Oliver Geissen (RTL, ’99 bis ’09), Arabella Kiesbauer (1994 bis 2004) Britt Hagedorn (’01 bis ’11 und ’22 bis ’23)
Unpolitisch?
„Bei uns wird alles besprochen, außer Politik“, sagte Karlich im Vorjahr angesichts des 25-Jahr-Jubiläums zum KURIER: „Wenn es politisch wird, dann überschreitet das eine Grenze. Und an diese Grenze müssen sich alle Talk-Gäste auch halten. Ansonsten gibt es kaum Tabus: Neben herkömmlichen Themen, die das Leben betreffen, wie Liebe, Job, Wünsche, Träume, Gesundheit, Familie, reden wir auch über Transgeschlechtlichkeit und Homosexualität. Wir haben Themen enttabuisiert.“
Dass die Grenze zum Politischen dabei schwer zu ziehen ist, zeigte sich bereits am ersten Aufzeichnungstag, dem 18. Oktober 1999. Während der Titel von Folge 1 („Jeder verdient eine zweite Chance“) noch unverfänglich war – mit Tony Wegas als Promi-Gast –, wurden bei den Sendungen 2 und 3 gröbere Geschütze aufgefahren: „Ausländer raus“ und „Kampfhunde gehören eingeschläfert“. Die Wortwahl blieb aber zumeist im Rahmen. Sendungsthemen wie „Bodybuilder haben nichts im Hirn“ waren das äußerste an Provokation. Der Titel von gestern lautete: „Leidenschaft in Langzeitbeziehungen: Ist das möglich?“

„Ich will auffallen um jeden Preis“ – das Thema dieser Sendung galt für viele Gäste, die sonst keine TV-Bühne gehabt hätten
Ausgetalkt
Nun hat es sich ausgetalkt. Ende Juni sollen die letzten neuen Folgen gedreht werden. Diese und andere werden dann wohl noch bis 2027 auf dem Sendeplatz des „Talk um 4“ (16.00 Uhr, ORF2) zu sehen sein. Denn mittlerweile wurden die Tage, an denen Wiederholungen laufen, deutlich ausgedehnt.
Die in Wien geborene Burgenländerin wird im ORF weiter zu sehen sein. „Auch in Zukunft wird Barbara Karlich dem ORF-Publikum als beliebte Moderatorin erhalten bleiben“, hieß es in einer Aussendung. Das betrifft etwa ihre Auftritte in der jeweils zum Nationalfeiertag gesendeten Show „9 Plätze – 9 Schätze“. „Zukünftige Angebote werden derzeit gemeinsam mit der Karlich-Redaktion evaluiert und entwickelt“, verlautbart der ORF, der das Ende des Talks bestätigt: „Der bestehende Vertrag zwischen ORF und Talk TV für die Produktion dieser aktuellen Ausgaben von ,Barbara Karlich – Talk um 4' wird nach dessen Erfüllung nicht verlängert.“
Karlichs Team habe bereits Kündigungen erhalten, berichtet die Kleine Zeitung. Produziert wird die Sendung von der Produktionsfirma Talk TV, die auch andere Formate wie „Liebesg’schichten und Heiratssachen“ für den ORF produziert. Diese ventiliere für 2026 ein neues Format mit Karlich im zweiten Hauptabend (nach 21 Uhr) unter dem Motto „Hausbesuche“.
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