Es sind vielmehr Visionen, zusammengebraut aus einer Vielzahl von Quellen aus Kunstgeschichte, Medien und eigener Erfahrung. Mitunter wirken sie so heftig übersteigert, dass man Peintner als Weltuntergangspropheten oder als spirituellen Seher missverstehen könnte, wäre da nicht seine tief sitzende Skepsis gegenüber der Religion. „Ich bin ned amal Agnostiker, da hängt man ja nur die Beweislast jemandem anderen um“, sagt der gebürtige Tiroler.
Auch die Einblicke ins Universum, wie sie Physiker wie Stephen Hawking verkündeten, sind ihm suspekt, „Wissenschaftler-Katholizismus“ sagt er dazu. Die Kraft religiös inspirierter Kunst – von Grünewalds „Isenheimer Altar“ bis zu Caspar David Friedrichs romantischen Kirchenruinen – findet dennoch Eingang in Peintners Bilder. Dass er die Auferstehung aus der Sicht des Gekreuzigten zeichnete, der gerade den Grabdeckel zur Seite räumt, zeugt aber schon auch von einem ketzerischen Geist.
Ursprünglich sollte Peintner Bauingenieur werden. Gegen den Willen seiner Eltern wechselte er aber in Roland Rainers Architektur-Klasse an der Akademie der Bildenden Künste. Mit Walter Pichler, dem Visionär im Grenzland zwischen Kunst, Design und Architektur, verband ihn eine Wohn- und Arbeitsgemeinschaft. Pichler öffnete auch die Türen zu der Publikation „Otto Wagner – Unbegrenzte Großstadt“, die Peintner mit Heinz Geretsegger 1964 publizierte und die heute als Standardwerk gilt. Die kühnen Architekturvisionen Wagners – etwa zu einer uniformen Stadt, die sich nach dem Muster eines Spinnennetzes potenziell endlos ausbreiten könnte – scheinen Peintners Zeichnungen inspiriert zu haben, auch wenn er sagt, Wagner nur einmal „bewusst verbraten“ zu haben.
Tatsächlich drehte der Künstler sein imaginäres Zivilisationsrad noch weiter, meist auf einen dystopischen Ausgang hin. „Take Off“ (1974), das Bild eines auf einer Autobahn startenden Flugzeugs, findet sich heute in der Sammlung des MoMA New York; andere Werke der frühen Zeit seien verschollen, sagt Peintner – etwa die „Autobahngräber“, bei denen der Künstler eine Fahrbahn zeichnete, auf der die Namen von Unfallopfern direkt vermerkt sind.
Seinen Wechsel zur Farbe schuldete Peintner u. a. einer Augenerkrankung. Sie veranlasste ihn, seine Wahrnehmung – mitsamt Störungen, Nachbildern, beschränkten Gesichtsfeldern – zum Thema zu machen. 1977 gastierte er damit auf der Documenta 6 in Kassel, 1986 vertrat er Österreich – gemeinsam mit dem Bildhauer Karl Prantl – bei der Venedig-Biennale.
Doch auch wenn die Bilder bunt wurden, blieb Peintners Blick düster: 9/11, die Fukushima-Katastrophe, die Umtriebe der Taliban veranlassten ihn zuletzt dazu, zum Stift zu greifen. „Ich warte, bis Ereignisse auf mich zukommen, die mich wirklich aufregen“, sagt er.
Peintner hat allerdings schon lange nichts mehr gezeichnet. Ein Text über seinen Weggefährten Walter Pichler – ursprünglich als Katalogvorwort geplant – ist zu einem Großprojekt angeschwollen, das seine Energien bindet. Auch hier scheint Peintner ein Antipode des Stadionwald-Planers Littmann zu sein: Der Schweizer ist ein Umsetzer, der Geld und politische Unterstützung zu organisieren weiß; Peintner ist als introvertierter Visionär, der um Worte und Bilder ringt, am anderen Ende des Spektrums angesiedelt.
Manchmal braucht es die Verbindung solcher Gegensätze, um etwas zu erreichen. Man wird sehen, ob es in Klagenfurt gelingt.
INFO
Die Installation „For Forest“ ist von 8.9. bis 27.10. im Wörthersee-Stadion Klagenfurt zu sehen. Die Galerie 3 widmet Peintner dazu eine Solo-Schau (6.9.–27.10.). Zusätzlich findet die Themenschau „Touch Wood“ an zwei Standorten statt. Die Stadtgalerie Klagenfurt (6. 9.–5. 1. 2020) zeigt ebenfalls Zeichnungen Max Peintners, das MMKK Klagenfurt (19.9.2019 –5.1.2020) Werke der Sammlung und darüber hinaus.
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