Karikatur der Ausgelassenheit und tiefer Weltschmerz

Ein Dirigent leitet ein Orchester mit erhobenem Taktstock.
Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks glänzten im Großen Festspielhaus bei den Salzburger Festspielen.

Diese Programmatik hat schon ihren Reiz: Zwei Werke, jeweils „Sechste“ Symphonien, beide in h-Moll, beide von russischen Komponisten – Dmitri Schostakowitsch und Peter Iljitsch Tschaikowski – und in St. Petersburg zu verschiedenen Zeiten uraufgeführt, in einem Konzert gegenüberzustellen. So geschehen am Sonntagabend im Großen Festspielhaus bei den Salzburger Festspielen.

Farbig und differenziert

Das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks unter seinem lettischen Chefdirigenten Mariss Jansons arbeitet bereits seit rund zehn Jahren zusammen, was fast ständig zu Höchstleistungen führt.

Nach dem gefühlsintensiven, tieftraurigen Largo des 1. Satzes hinterlässt Schostakowitsch in seiner Symphonie (UA 1939) einen sehr doppelbödigen Eindruck. Denn die beiden anderen Sätze des bloß dreisätzigen Werkes werden mit ihren grotesken, schrägen Wendungen und rasanten Tempi zu einer Karikatur der Ausgelassenheit.

Völlig organisch, beinahe jeden Einsatz gebend, sehr akzentuiert agierte dabei Jansons. Jeder Einsatz saß, kein Solist in den Reihen des Orchesters zeigte Schwächen. Farbig, differenziert, vital und spannungsgeladen musizierte das Spitzenorchester.

Bei der „Pathétique“ (UA 1893) von Tschaikowski wurden die tiefste Verzweiflung und all der Weltschmerz des Komponisten, der wenige Tage nach der Uraufführung verstarb, spürbar. Alle emotionalen Klimazonen wurden durchfegt. Aufwühlende, große dynamische Spannungsbögen aufgebaut, Lyrismen ausgekostet, wobei ausbalanciert und präzise musiziert wurde. Stehende Ovationen für ein Ereignis!

KURIER-Wertung: ***** von *****

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