Marianne Faithfull singt Weill in Linz

Eine Frau mit Mikrofon steht mit zwei Tänzern auf einer Bühne.
Jochen Ulrich und Fabrice Jucquois haben die Brecht/Weill-Ballette "Zaubernacht/Die sieben Todsünden" mit Stones-Muse Marianne Faithfull inszeniert.

Die Stimme ist immer noch da, rau und weich gleichzeitig und einlullend, mit tiefem Timbre, das sich elastisch um die Noten dreht. Wer hätte gedacht, dass Rock-Lady Marianne Faithfull zehn Mal am Linzer Landestheater "Die sieben Todsünden" von Brecht/Weill (1933) singt; im Repertoirebetrieb sozusagen.

Dennis Russell Davies, Chef des Bruckner Orchesters, spielte mit Faithfull vor Jahren die Lieder ein, er ist der Kontaktmann in die älter gewordene Neue Welt. Und hat für April 2013, wenn das neue, sehr große "Musiktheater am Volksgarten" mit einem Premieren-Bündel, "bei dem das Pendel in alle Richtungen ordentlich ausschlägt", so Intendant Rainer Mennicken bei der Exklusiv-Führung für den KURIER, einen weiteren Oldie an der Hand: Philip Glass schreibt die Oper "Spuren der Verirrten" (nach Handke).

Aufputz

Noch aber hält Faithfull ihr Mikro am anderen Ende der Stadt im alten Landestheater und ist nostalgischer Aufputz für einen grundlagenbedingt interessanten Tanztheater-Abend. Ballettdirektor Jochen Ulrich, der wegen anhaltender Krankheit die Proben an den Tänzer und Assistenten Fabrice Jucquois abtreten musste, setzt Weills Kinderpantomime " Zaubernacht" (1922) als schwüle homoerotische Traumfantasie zweier Buben den "Todsünden" voran. Auf der nahezu leeren Bühne, die eine Straßenlaterne und ein liegen gebliebener Koffer akzentuieren (Ausstattung: Gottfried Pilz), erahnen die Kinder, eingekeilt zwischen einer lüsternen Transgender-Hexe mit lockendem Teddybär und einem glitzernden Dompteur die Möglichkeiten des Trieblebens.

In den "Sieben Todsünden" nach der Pause lässt sich mit solchen Interpretationen nicht mehr spielen. In Brechts Text für Anna I (Faithfull), die Geld um jeden Preis macht und Ware Anna II (Anna Sterbova) dem Körper-Markt feilbietet, geht es um Faktisches und Weill hat hier seine klare Sprache erreicht.

Uneins

Die Regie aber bleibt diesmal uneins: Die Faithfull, ein Kaliber in jeder Hinsicht, steckt nicht in schriller Vivienne-Westwood-Couture, die ihr stehen würde, sondern in einem traurigen Hängekittel, am Kopf drapierte Locken und darf mitspielen und auch wieder nicht. Gut möglich, dass dieses "Ballett mit Gesang" in dieser Besetzung eine singende Erzählerin, die das szenische Geschehen mit Abstand bewusst betrachtet und kommentiert, besser vertragen hätte. Der expressiv gestaltete Bilderbogen mit dem herrendominanten Tanz-Ensemble hätte mehr Gewicht bekommen. Davies bringt die Faithfull zur Geltung; zum Applaus überreicht der Intendant rote Rosen.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: Zaubernacht"/"Die sieben Todsünden" von Kurt Weill. Mit u. a. Marianne Faithfull (21. 10. und 30. 11.: Christiane Boesiger). Weitere Termine: 19., 21., 25. und 28. 10. sowie am 3., 6., 9., 14., 30. 11., am 18. 12. und am 28. und 30. 1.. Karten: 0732/7611400

Fazit: Ein Abend der Gegensätze in Linz

Stücke
Zwei Mal Ballett-Kompositionen von Kurt Weil: "Zaubernacht" ein sympathisches Frühwerk um lebendig werdendes Spielzeug, "Die sieben Todsünden" mit dem Text von Bertolt Brecht ein reifes Werk um abgekarteten Körper-Kapitalismus.

Regie
Assistent Fabrice Jucquois musste wegen der Krankheit des Choreografen Jochen Ulrich Proben übernehmen. Herausgekommen ist ein expressives, Herren dominantes Tanztheater, im ersten Teil schwül, danach uneins.

Schwergewicht des Abends
Das rauchige Timbre der Marianne Faithfull, bestens unterstützt von Bruckner-Orchester-Chef Dennis Russell Davies am Pult.

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