Ein Museum hinterfrägt, was die Warenwelt zusammenhält

Ein schwarzer Kochtopf mit der Aufschrift S.M.A.K. steht in einem Solarkocher.
Spannend: Das MAK versucht, ein Museum für die Fragen der Gegenwart zu sein.

Thomas Schäfer-Elmayer ist ganz in seinem Element: Er redet leidenschaftlich über das, was man tun soll, und das, was man nicht tun soll.

Und zwar beim Aluminium-Recycling.

Es ist ein weiter Bogen vom (ehemals in der Metallbranche tätigen) Benimmpapst bis hin zum zeitgenössischen Design. Das Museum für angewandte Kunst (MAK) spannt im neuen Design Labor diesen – und noch viel weitere Bögen: Vom ersten Kaffeeimport nach Europa bis zum Fast Food, von der Einbauküche zur Gesellschaftspolitik, von der Handschrift zum Handy.

Neuerfindung

Das nun präsentierte Design Labor ist ein zentrales Projekt des heurigen 150-Jahr-Jubiläums des MAK. Das Museum erfindet damit nicht nur den Blick auf die eigene Sammlung neu. Sondern stellt auch entscheidende Fragen dazu, was ein Museum heute sein kann – und soll.

Die Schausammlung im Keller ist zu einem spannenden Vorzeige-Parcours neuer Museumsarbeit, auch neuer Museumsgestaltung geworden: Offene, nach Themen geordnete Räume, Tablet-Computer mit vertiefenden Infos. Das Publikum ist dazu aufgerufen, selbst das eigene Wissen anderen Besuchern zugänglich zu machen. Man darf mitmachen, mitdenken, mitfragen.

Und so entscheidet sich hier eine durchaus spannende Frage: Ob nämlich ein Museum der geeignete Ort ist, aktuelle Probleme des Alltags zu verhandeln. Im Design Labor testet das MAK das "Anti-Schaumuseum": Hier soll es nicht mehr darum gehen, schön beleuchtete Objekte in der Vitrine zu betrachten. Sondern darum, die Sammlung des einstigen Industriemuseums – mittlerweile das besucherärmste Bundesmuseum – einem breiteren, neuen Publikum näherzubringen. Und zwar dadurch, dass diese Sammlung an grundlegenden Alltagsfragen der Gegenwart gemessen wird, wie MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein schildert: Was es heißt, in einem Land des Überflusses arm zu sein; warum derzeit die Chance besteht, die nach Asien ausglobalisierte Produktion wieder nach Europa zu bringen; wie sich die Kultur des Essens verändert hat.

In all diesen Fragen spielt das Design eine Rolle. Und zwar eine überaus politische: So darf man im Design Labor über absurd lange Transportwege oder auch den Wert des Einzelstücks gegenüber der Massenproduktion grübeln. Bis hin zu dem Gedanken, dass Design eine entscheidende Rolle bei der Lösung vieler gesellschaftlicher Probleme spielen kann.

Einküchenhaus

Klingt abwegig? Nicht im Küchen-Raum des Design Labors. Hier wird nachvollziehbar, wie sich die Loslösung der Frau vom sprichwörtlichen Herd im Objekt "Küche" niedergeschlagen hat: Diese wurde immer zeitsparender. Bis hin zum bahnbrechenden Wiener Einküchen-Haus, das in den 1920ern mit einer zentralen Küche für ein ganzes Wohnhaus Frauen die Berufstätigkeit erleichtern sollte.

Die Frage nach gesellschaftlichem Wandel durchzieht die Räume, im Speziellen: des digitalen Wandels, der derzeit auf den Kopf stellt, was Design, Produktion, Konsum heißt. Wien hat so etwas schon einmal erfolgreich verarbeitet, die Wiener Werkstätten waren eine gelungene Reaktion auf die Industrialisierung. Auch daran knüpft das MAK thematisch an. Und sorgt so für einen außergewöhnlich inspirierenden Museumsbesuch.

Die radikale Neupositionierung des Blicks auf die eigene Sammlung im Museum für angewandte Kunst kommt nicht von ungefähr: Schon seit Jahren überlegen die Museen inner- und außerhalb Österreichs, wie sie sich in Zukunft positionieren sollen. Eine zentrale Frage dabei ist, wer künftig ins Museum geht – und warum.
Die Antworten darauf sind schwieriger zu finden, als man denken sollte.

Dabei ist der Museumsboom nahezu ungebrochen. Die Bundesmuseen verzeichneten auch 2013 wieder einen Besucherrekord: 4.653.240 Eintritte wurden verzeichnet, so viele wie noch nie seit der Ausgliederung zur Jahrtausendwende. Zwar schwanken die Zahlen der einzelnen Museen je nach Ausstellungserfolg.
Insgesamt aber scheint auf den ersten Blick kein allzu dramatischer Bedarf für die Suche nach neuem Publikum zu bestehen.

Vermittlung

Dennoch ist die Kunstvermittlung schon seit Jahren eines der zentralen Themen der Museumspolitik und der Häuser: Vermittlungsangebote für Schüler werden forciert. Dem gesellschaftlichen Wandel wird mit Angeboten für neue Bevölkerungsgruppen Rechnung getragen. Die Museen wollen den Besuchern verstärkt erklären, warum und inwiefern ihre Sammlungen wichtig sind.

Das hat faktische, aber auch atmosphärische Gründe. Einer davon: Museen sehen sich, so schilderte es der Künstler und Kurator Peter Weibel jüngst im KURIER-Gespräch, in der öffentlichen Aufmerksamkeit aus dem Zentrum gerückt. „Die Museen verschwinden mehr und mehr aus dem allgemeinen Gedächtnis“, so Weibel. Und sie suchen daher nun Gegenstrategien: Die Museen reagieren nicht zuletzt darauf, dass viel Aufmerksamkeit in die digitale Welt fließt. Und dort nicht unbedingt zu den Museen. Digitale Museumsführer fürs Handy und ausführliche Online-Datenbanken sollen daher den Museumsbesuch leichter machen.

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