"Love Steaks": Ein Film, der sich nix pfeift

Schwierig, über diesen Film etwas zu schreiben, das noch nicht geschrieben wurde. Da ergießen sich Hymnen von Spiegel, Süddeutsche, TAZ ect. über dieses Filmdebüt von Jakob Lass als neues, wildes, deutsches Kino. Da regnet es Preise beim Münchner Filmfest, in Saarbrücken, in Rotterdam. Und das für einen Film, der gänzlich ohne staatliche Fördergelder gedreht wurde: also auf eigene Faust und mit aller Freiheit.
Hier musste sich niemand nach Vorstellungen von TV-Anstalten richten. Man entwickelte stattdessen eigene nach eigenen Regeln. Die klingen im Falle von Jakob Lass recht basisdemokratisch für einen Filmdreh, der normalerweise streng hierarchisch, um nicht zu sagen: diktatorisch organisiert ist. Jeder im Filmteam durfte Ideen einbringen, gedreht wurde zwei Mal vier Stunden am Tag (Drehtage dauern meist 11 Stunden und mehr), und man betrieb gemeinsam Sport. Wichtig war der "gemeinsame Flow". Und so zeitgeistig das klingen mag, so ist auch dieser Film. Er hat einen Flow, einen Fluss, er hat Unmittelbarkeit und Rauheit, er hat Fieber. Oder um es derb zu sagen:
Er pfeift sich nix.
Nicht immer versteht man in diesem semi-dokumentarischen Stil alles, was genuschelt wird. Es klimpert und klirrt, wie es in einer Hotelküche eben klirrt und klimpert. Dafür gewinnt man Glaubwürdigkeit des Arbeitsmilieus. In einem Luxushotel an der Ostsee wurde inmitten laufenden Betriebs gedreht. Zugrunde lagen 18 Skelettszenen, deren Dialoge von zwei umwerfenden Schauspielern ( Lana Cooper und Franz Rogowski) inmitten von Laien, von Küchenpersonal und Wellness-Mitarbeitern improvisiert wurden. Gedreht wurde ohne künstliches Licht – wie einst bei Lars van Triers Dogma-Filmen. "Fogma" nannte das Team daher in ironischer Anlehnung seine Drehmethode.
Ungezügelt
Wenn hier jetzt so lange über das WIE des Films geschrieben wird statt über das WAS, hat das seinen Grund: Das WIE ist interessanter, wenn auch international nicht ganz so neu, wie die deutsche Filmkritik das gerne hätte. Dasselbe gilt auch für die Lovestory: Sie ist Köchin, er Masseur. Sie, eine Ungezügelte, die trinkt und Eiskammern romantisch findet. Er, ein Gezügelter, der sich um Menschen gerne kümmert. Ein ungleiches Paar, wie wir es kennen, in einem Film, wie wir ihn aus Deutschland nicht, oder höchstens von Klaus Lemke kennen: unbändig, frech und frei.
KURIER-Wertung:
INFO: Love Steaks D 2013. 90 Minuten. Von Jakob Lass. Mit Lana Cooper und Franz Rogowski.
Im Kino: "Love Steaks"
Schon der Titel lässt Poesie-Alarm aufkommen. Und tatsächlich beruht der Film auch auf einem Buch und zwar nicht auf irgendeinem, sondern auf preisgekrönter Jugendliteratur von Andreas Steinhöffl. Und da ist gar kein Alarm notwendig. Das Buch ist nämlich wirklich schön und auch poetisch. Der Film leider nicht. Nämlich weder schön noch poetisch und in seiner Umsetzung – na, sagen wir: semi-inspiriert.
Die Geschichte kreist um einen "tiefbegabten" Buben, der ständig "Bingokugeln im Kopf hat", links und rechts nicht auseinanderhalten kann und gerne die Nachbarn im eigenen Wohnhaus besucht. Er findet im hochbegabten Oscar einen Freund, bis dieser Opfer eines skurrilen Berliner Kinderentführers wird. Inhaltlich hält sich der Film ans Buch, aber er macht es sich bei Milieu und Casting allzu einfach: die im Buch so tragikomischen, einsamen Hausbewohner sind hier Witzfiguren. Und der Bub? Der Bub ist süß und dick – und offenbar reicht das schon, um Doofheit zu vermitteln.
KURIER-Wertung:
INFO: Rico, Oscar und die Tieferschatten.D 2014. 95 Minuten. Von Neele Leana Vollmar. Mit Anton Petzold.

Die guten alten Zeiten. So schön, so idyllisch. Da konnte man noch vom Fischen leben und als Mann stolz sein auf seine Arbeit. Doch jetzt? Jetzt muss die Frau in der großen Stadt jobben, und die Männer sitzen arbeitslos am Bankerl des entlegenen kanadischen Hafenkaffs. Also wünscht man sich? Richtig: eine petrochemische Fabrik (samt Arbeitsplätzen) in die Idylle. Dafür braucht man allerdings zuerst einen ansässigen Arzt. Den verschlägt es in Person von Taylor Kitsch nach Tickle Head, wo ihm nun die Bewohner das ideale Dorf vorspielen.
Alle lernen Cricket (sein Lieblingssport), und im Gasthaus gibt es plötzlich indisches Lamm (sein Lieblingsgericht). Man lügt und betrügt, auf dass der Arzt für immer bleiben möge. So weit, so nett. Doch die Zeit ist an der konservativen Filmposse vorbeigegangen: die Stadt erscheint als Schreckgespenst. Der Umweltgedanke existiert nicht, Multikulturalität ebenfalls nicht. Was bleibt ist ein (wie immer) exzellenter Brendan Gleeson in einem Film von gestern.
KURIER-Wertung:
INFO: Die große Versuchung CAN 2013. 115 Min. Von Don McKellar. Mit Brendan Gleeson und Taylor Kitsch.

Kommentare