Londoner Oper warnt vor Gewaltszene in "Wilhelm Tell"

Mit einer umstrittenen Vergewaltigungsszene hat das Royal Opera House in London Entrüstung und ein lautes Buh-Konzert geerntet. Opernintendant Kasper Holten verteidigte am Mittwoch die Szene in Damiano Michielettos Inszenierung der Rossini-Oper "Guillaume Tell" ("Wilhelm Tell"), kündigte aber an, das Publikum werde ab sofort mit einem Warnhinweis auf die drastische Sequenz vorbereitet.
Eine Szene der Produktion werfe ein "Schlaglicht auf die brutale Wirklichkeit von Frauen, die während Kriegszeiten missbraucht werden", sagte Holten. Sexuelle Gewalt sei eine "tragische Tatsache" von Kriegen. Es sei beabsichtigt, dass die Szene ein unbequemes Gefühl hervorrufe. Wenn sie einige Leute erschüttert habe, tue ihm das aber leid.
Regisseur verteidigt Szene
Stein des Anstoßes war die Szene, bei der Offiziere der österreichischen Besatzerarmee eine Frau übel traktieren. Die Männer flößen der Frau Champagner ein, streicheln sie mit einer Waffe - und reißen ihr die Kleider vom Leibe, bevor sie sie zwingen, sich auf den Banketttisch zu legen. Der italienische Regisseur Michieletto verteidigte die Szene: Wenn man die Brutalität, mit der die Leute hätten umgehen müssen, nicht spüren könne bzw. wenn man sie verstecke, dann werde es "etwas für Kinder". Er werde gar nichts ändern.
Empörung
Über dem altehrwürdigen Opernhaus war nach der Premiere eine Welle der Empörung und des Unverständnisses zusammengeschlagen, angeführt von den Theaterkritikern großer Zeitungen. Die Times kritisierte die Szene als "unentschuldbar scheußlich" und zeigte Verständnis für die lauten Buh-Rufe, die eine Minute lang andauerten und das Orchester zu einer Pause zwangen. "Eine Überreaktion? Nein, wenn man 20 Männer aus dem Chor sah, wie sie eine Frau vorwärts stoßen, sie verhöhnen, sie entblößen und dann im Rudel vergewaltigen" - und alles möglichst so nah wie möglich am Publikum.
Der Guardian verurteilte eine "sich hinziehende und lüstern voyeuristische Gruppenvergewaltigung", die für die Inszenierung "völlig überflüssig" gewesen sei. The Telegraph konstatierte einen "himmelschreienden Widerspruch" zum Geist der Musik Rossinis. Allerdings räumte die Times auch ein, Buh-Rufe, insbesondere bei Premieren, kämen offenbar immer mehr in Mode.
Kommentare