Bildgewaltige Welt des „Schwanenritters“

Sie scheint hoch im Raum zu schweben, diese weiße, hochgefahrene Plattform, wo Lohengrin und Elsa ihre Hochzeitsnacht verbringen, während rundherum die Welt mit ihren knorrigen, schwarzen Bäumen im düsteren, bedrohlichen Dunkel versinkt: Johannes Erath lässt am Grazer Opernhaus Richard Wagners „ Lohengrin“ als diesjährige Eröffnungspremiere in verschiedenen Welten und Zeitebenen spielen. So erscheint der Ritter in einem blütenweißen, mit Schwanenfedern bedeckten hereingeschobenen Kubus, nachdem zuvor vom Plafond des Zuschauerraums bereits Federn auf das Publikum heruntergeschwebt sind.
Dem österreichischen Regisseur, der hier am Haus schon mehrfach Regie geführt hat (zuletzt die „Elektra“), gelingt eine sehr poesievolle, bildgewaltige, teils märchenhafte Inszenierung, in der er viel mit Metaphern und Symbolen spielt. Dazu tragen die sehr ästhetischen Kulissen von Kaspar Glarner mit einer düsteren Schneelandschaft und einer Kirchenruine bei, mit Anleihen von Caspar David Friedrich, wie auch die geschmackvollen Kostüme des Starmodeschöpfers Christian Lacroix. Dabei kann er die Sehnsucht nach Vertrauen und Liebe stark herausarbeiten. Im Vorspiel zum 3. Akt lässt er die Vorgeschichte mit der Entführung von Elsas Bruder Gottfried spielen, den Ortrud zum Finale dann aus einem Tuch wickelt und Elsa zurückgibt.
Pianissimi Klänge und ein silbriges Flimmern vernimmt man bei den ersten Takten beim Grazer Philharmonischen Orchester bei vorerst völliger Dunkelheit aus dem Graben. Julien Salemkour schlägt anfänglich (zu) straffe Tempi an, die Streicher klingen dünn und etwas unsauber, wodurch beim Vorspiel viel an Klangwirkung verloren geht. Doch dann weiß er mit nie erlahmender Energie und eminenter Gestaltungskraft herrliche Farben, Tonschönheiten, feinste Subtilität, Spannungsbögen und einen Facettenreichtum aufzubauen, ohne die Sänger zuzudecken.
Seelenvoll
Für den erkrankten Johannes Chum eingesprungen ist Herbert Lippert mit seinem sehr späten Rollendebüt als „Schwanenritter“. Anfänglich etwas unsicher singt er ihn dann mit seinem wunderbaren, hellen Tenor sehr seelenvoll. Nur ist der Lohengrin für ihn zu lyrisch und grenzwertig, denn es fehlt ihm an kraftvoller Attacke. Ihm zur Seite steht mit Sara Jakubiak eine mädchenhaft jugendliche, innig singende Elsa von Brabant voll blühender Lyrismen und tiefer Wärme des Ausdrucks. Mit maßloser Bühnenpräsenz voll Wildheit und Stolz erlebt man Anton Keremidtchiev als stimmgewaltigen, kernigen Grafen Telramund. Michaela Martens könnte noch mehr den Zynismus und die dunkle Seite der mephistophelischen Ortrud hervorkehren. Es fehlt ihr an Stimmvolumen in der tieferen Lage. Derrick Ballard verfügt als König Heinrich über zu wenig Bassschwärze. André Schuen hingegen ist ein schönstimmiger Heerrufer. Der meist kollektiv inszenierte und aufgefädelt sitzende Chor wurde von Bernhard Schneider fabelhaft einstudiert. Großer Jubel!
KURIER-Wertung:
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