Literaturnobelpreis und #MeToo: Krise in Schwedischer Akademie

Hinter verschlossenen Türen: Hier gibt die Akademie jährlich den Preisträger bekannt
Drei (eigentlich unmögliche) Rücktritte, nachdem 18 Frauen Übergriffsvorwürfe geäußert hatten.

Die Schwedische Akademie ist eine verschworene Truppe mit altehrwürdigen Gesetzen. „Die Achtzehn“, wie man sie respektvoll nennt, küren seit mehr als einem Jahrhundert den Literaturnobelpreisträger. Zurücktreten kann man aus ihrer Mitte auf Lebenszeit nicht. Doch genau das haben drei Mitglieder jetzt faktisch getan - in einem Korruptions- und Belästigungsskandal, der die so auf Würde bedachte Kulturinstitution in ihrer Existenz bedroht und dem Ansehen des Literaturnobelpreises schweren Schaden zufügen könnte.


Im Mittelpunkt der Affäre stehen Akademiemitglied Katarina Frostenson und ihr Ehemann. 18 Frauen warfen dem Franzosen im vergangenen November im Zuge der #MeToo-Bewegung sexuelle Belästigung vor. Akademie-Mitglieder könnten davon gewusst und es geduldet haben.

Zugleich kam heraus, dass Frostensons Mann einen Kulturverein betrieb, der von der Akademie bezuschusst wurde. Die Lyrikerin entschied also jahrelang heimlich mit über Gelder für ihren Mann. Noch schlimmer dürfte für die Akademie allerdings sein, dass sie die Namen von sieben Nobelpreisträgern vorzeitig ausgeplaudert haben soll - darunter 2016 auch den von Bob Dylan. Der Ruf der Nobelpreis-Hüter steht auf dem Spiel.

Anwälte eingeschaltet

Die Ständige Sekretärin der Akademie, Sara Danius, beauftragte deshalb eine Anwaltskanzlei, die Beziehungen des Franzosen zur Akademie zu untersuchen. Der Bericht soll Ende dieser Woche veröffentlicht werden, doch er sorgte schon jetzt für einen Eklat: Die Akademie diskutierte die Ergebnisse vergangene Woche - und stimmte auch über Frostensons Ausschluss ab. Eine knappe Mehrheit entschied, sie dürfe bleiben - mit der Konsequenz, dass sich drei Mitglieder nun aus Protest von den Sitzungen zurückziehen.
Auch der frühere Ständige Sekretär Peter Englund ist unter den Abtrünnigen. „Die Mehrheit nahm zu viel Rücksicht auf Einzelpersonen und zu wenig auf die Statuten“, begründete er in der Zeitung „Aftonbladet“ seine Entscheidung.

Die Rücktritte stellen die Akademie vor große Probleme, denn die drei Sitze können erst neu vergeben werden, wenn ihre Inhaber sterben. Das gleiche gilt für zwei Sitze, deren Inhaber bereits vor Jahren im Streit ausschieden. Von den ehrwürdigen 18 treten also nur noch 13 regelmäßig zusammen. Um neue Mitglieder zu berufen, müssen mindestens 12 abstimmen. Fallen also noch zwei weitere Mitglieder aus, kann die Akademie keine neuen mehr berufen - und würde langsam aussterben.
Für die Entscheidung über den Literaturnobelpreis gilt dieses Quorum nicht. „Ein Kandidat muss mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten“, heißt es über die Auswahl des Preisträgers auf der offiziellen Nobelpreis-Website nobelprize.org.

Der König ist traurig

Angesichts der ernsten Lage schaltete sich nun Schwedens König Carl XVI. Gustaf ein, der Schirmherr der 1786 gegründeten Akademie. Die Entwicklung mache ihn traurig, sagte der König nach einem Treffen mit Danius. Er hoffe jedoch auf eine Lösung. „In der Akademie wird daran gearbeitet. Sie überdenken die Situation, und es wird alles gut werden“, zeigte er sich vor Journalisten optimistisch.

König Carl Gustaf selbst solle dafür sorgen, dass die Akademie-Mitglieder ausgetauscht würden, forderten danach Literaturkritiker im Schwedischen Rundfunk. „Es ist eine Frage der Legitimität für eine wichtige Institution, die auf dem Spiel steht.“
Die deutsche Schriftstellervereinigung PEN schlug sogar die Auflösung der gesamten Schwedischen Akademie vor. Sie solle sich völlig neu konstituieren und vielleicht auch international besetzt werden, sagte Präsidentin Regula Venske bei MDR Kultur. Noch sei das Renommee des Literaturnobelpreises nicht beschädigt.

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