Leipziger Buchpreis für Lyriker Jan Wagner

Der Berliner Autor Jan Wagner hat als erster Lyriker den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen. Der 43-jährige gebürtige Hamburger erhielt die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung am Donnerstag für seinen Gedichtband "Regentonnenvariationen". Wagner sagte, er hoffe, dass der Preis ein Licht auf die lebendige und vielfältige deutsche Lyrikszene werfe.
"Jan Wagners Auszeichnung wirkt hoffentlich wie ein Paukenschlag", sagte auch die Literaturkritikerin Meike Feßmann in ihrer Laudatio. Lyrik sei die am meisten unterschätzte Literaturform, sie verdiene mit ihren Möglichkeiten zu Ruhe und Konzentration viel mehr Beachtung. Jan Wagner gelinge es in seinen Gedichten, auch kleine und scheinbar nebensächliche Dinge mit Humor und Sprachwitz zu Minidramen zu verdichten.
Die ebenfalls nominierten vier Romane mussten sich dem Gedichtband geschlagen geben. Damit gingen Ursula Ackrill ("Zeiden, im Januar"), Teresa Päauer ("Johnny und Jean"), Norbert Scheuer ("Die Sprache der Vögel") und Michael Wildenhain ("Das Lächeln der Alligatoren") leer aus. Im vergangenen Jahr hatte Sasa Stanisic für seinen Roman "Vor dem Fest" den Belletristik-Preis gewonnen.
Sachbuchpreis an Wiener Uni-Professor

In der Sparte Übersetzung (15.000 Euro) wurde die Autorin Mirjam Pressler geehrt, die das neue Buch "Judas" des israelischen Autors Amos Oz aus dem Hebräischen übertragen hat. "Ich danke vor allem Amos Oz, diesen wunderbaren Roman geschrieben zu haben", sagte die Preisträgerin. Oz bedankte sich umgekehrt mit einem Vergleich: "Ein literarisches Werk in eine andere Sprache zu übersetzen ist wie ein Violinkonzert auf einem Klavier zu spielen."
Kulturaustausch
Thematisch stand die Buchmesse am Donnerstag im Zeichen des deutsch-israelischen Dialogs. 50 Jahre nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern sind mehr als ein Dutzend namhafte israelische Autoren in Leipzig vertreten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagte, der kulturelle und literarische Austausch sei für das gegenseitige Verständnis besonders wichtig.
Der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman und ein Vertreter des in den USA weilenden Außenministers Frank-Walter Steinmeier eröffneten das Leseforum Israel. "Ohne Israel, ohne den großen Schritt, den Israel vor 50 Jahren auf Deutschland zu gemacht hat, wäre Deutschland nicht das, was es heute ist", betonte Außenamts-Abteilungsleiter Andreas Görgen.
Der israelische Autor Meir Shalev sagte, das israelische Volk werde den Holocaust nie vergessen. Dennoch unterstütze er den Ausbau der politischen Beziehungen. Oz berichtete, er habe sich vor 50 Jahren nicht vorstellen können, je einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen.
Bei der bis Sonntag dauernden Messe strömten schon am ersten Tag Tausende Besucher in die Hallen und sorgten für drangvolle Enge. Kulturstaatsministerin Grütters betonte bei ihrem Rundgang: "Die hier in Leipzig so breit gefächerte Bücherlandschaft ist eine Freude und ein Markenzeichen der Kulturnation Deutschland. Sie muss in allen ihren Facetten erhalten bleiben."
Die Stiftung Lesen stellte zur Orientierung ihren Lesekompass vor, in dem sie 30 Kinder- und Jugendbücher empfiehlt. Außergewöhnliche und digitale Formate könnten bei Kindern die Lust am Lesen wecken, sagte Hauptgeschäftsführer Jörg Maas. Die Liste soll kein Literaturpreis sein, sondern Eltern und Lehrern Hilfe bei der Auswahl bieten. "Wenn ein Hörbuch zum Lesen verführt, hat es aus unserer Sicht seinen Zweck erfüllt", sagte Maas.
Der Inselstaat Indonesien stellte sich in Leipzig schon einmal als Ehrengast der nächsten Frankfurter Buchmesse (14.-18.10) vor. Unter den rund 70 erwarteten Autoren seien auch Reiseschriftsteller und Sachbuchexperten, sagte Projektleiter Goenawan Mohamad. In einem umfangreichen Begleitprogramm wolle Indonesien auch sein architektonisches Erbe, seine zeitgenössische Kunst und seine Küche vorstellen.
Auf der Leipziger Buchmesse, dem Frühjahrstreff der Branche, sind dieses Jahr mehr als 2.200 Aussteller aus 42 Ländern vertreten. Daneben gibt es das Festival "Leipzig liest" mit mehr als 3.000 Veranstaltungen quer durch die Stadt. Bei jungen Leuten besonders gefragt ist die Manga-Comic-Convention, die mit Comics, Cosplay und Spielen aufwartet. Bis zum Sonntag werden insgesamt mehr als 200.000 Besucher erwartet.
"Probebohrungen im Himmel" hieß Jan Wagners erster Gedichtband aus 2001, mit dem er die Fachwelt begeisterte. Der gebürtige Hamburger Jan Wagner, Jahrgang 1971, ist seither ein erfolgreicher Lyriker, Essayist, Übersetzer und Literaturkritiker. Fast jede seiner Veröffentlichungen wurde hochgelobt. Mit seinem jüngsten Lyrikband "Regentonnenvariationen" gewann er nun den Preis der Leipziger Buchmesse.
Das ist eine Ehrung der besonderen Art: Noch nie zuvor hat dort in der Sparte Belletristik ein Gedichtband der Prosa den Rang ablaufen können. Schon zuvor erhielt Wagner eine Vielzahl von Preisen und Stipendien, darunter den Tübinger Hölderlin-Preis und den Kranichsteiner Literaturpreis (beide 2011). Zuletzt gab es im vergangenen Dezember den Mörike-Preis der Stadt Fellbach in Baden-Württemberg.
Schöngeistige Literatur ist Wagners Lektüre allemal. Und was für welche. Denn Wagner ist ein Poet, der Großes im Kleinen sieht, in den Dingen des Alltags, der nicht nur einen Blick für Details hat, sondern diese auch in wunderschöne Worte kleiden kann, der aus Gelegenheiten und Anlässen Kunstgenuss formuliert. Und er ist einer, der mit feinem Humor und philosophischer Weisheit Totes zum Leben erweckt. "Jan Wagner gilt als eine der wichtigen lyrischen Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur", urteilte etwa der WDR.
In 30 Sprachen übersetzt
Das Studium der Anglistik und Amerikanistik in Hamburg, Dublin und Berlin - seit 1995 sein Lebens-Mittelpunkt - war Ausgangspunkt des Wagnerschen Faibles für englischsprachige Literatur und Lyrik, die Mitarbeit an der internationalen Literaturschachtel "Die Außenseite des Elements" (1995-2003) eine logische Konsequenz. Neben eigenen Wortwerken (u.a. "Guerickes Sperling"/2004, "Die Eulenhasser in den Hallenhäusern. Drei Verborgene"/2012) befasst sich der Dichter nach wie vor mit Lyrikübersetzungen und Literaturkritiken für Zeitungen und andere Medien. Mit dem Partner Björn Kuhligk brachte er 2003 die Anthologie "Lyrik von Jetzt. 74 Stimmen" und 2008 "Lyrik von Jetzt zwei" heraus - gesammelte junge deutschsprachige Lyrik.
Längst werden die Werke des Autors, der Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland, in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Bayerischen Akademie der schönen Künste sowie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz ist, auch international hoch geschätzt. Bisher wurden sie in rund 30 Sprachen übersetzt.
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