Wald, Schlamm und Malerei

Ein Frosch mit Fühlern, eine glubschäugige Fliege und eine Ratte ohne Gesicht. Wie drei Freunde im Wirtshaus sitzen sie da, an einem Tisch, auf dem einige nicht näher definierbare Objekte verstreut sind. Geht man nach seinen Gemälden, so pflegte Kurt Kocherscheidt in den frühen 70er-Jahren die Gesellschaft von recht sonderbaren Charakteren. Wie zum Leben erwachte Stillleben muten die bizarren Szenarien an, in denen Erdklumpen, Fühler, Köpfe, Glieder sprießen, und sie zu drolligen, zugleich beunruhigenden Wesen machen, die, lange Schatten werfend, durch den Bildraum purzeln.
Surreales Bestiarium
Mit solchen surreal-animistischen, in ruhigen, warmen Ocker-, Rot-, und Blautönen gehaltenen Werken beginnt die Geschichte der Malerei Kurt Kocherscheidts (1943– 1992), wie sie die im Essl Museum in Klosterneuburg zu besichtigende Retrospektive erzählt. Die von Veit Loers kuratierte Schau zeigt repräsentative Arbeiten aus allen Werkgruppen des gebürtigen Kärntners. Ergänzt werden die Werke aus der Sammlung Essl dabei von den Beständen anderer wichtiger Kocherscheid-Sammlungen – dem Morat-Institut Freiburg/Breisgau, der Sammlung von Botho von Portatius, Berlin sowie dem Nachlass.
Die Retrospektive verfolgt die künstlerische Entwicklung des Malers vom quasi gegenständlichen Frühwerk über eine zunehmende Verdichtung hin zur absoluten Malerei der späten 80er und frühen 90er-Jahre. Als roter – oder passender: brauner – Faden zieht sich die Natur als Inspirationsquelle durch das Werk des Malers, der sich schon seit seiner Schulzeit auch mit naturwissenschaftlichen Themen befasst hatte.
Bilder der Ausstellung
Tiere und Pflanzen und die Welt des Waldes dienen Kocherscheidt als offensichtliche Ausgangspunkte für die künstlerische Auseinandersetzung. Aus dem ländlichen Ambiente seines Ateliers in Grieselstein (Südburgenland) schafft Kocherscheidt einen kleinteiligen Mikrokosmos, ein surreales Bestiarium, das sich aus der Naturbeobachtung speist.
Im Laufe der Zeit aber beginnen die Gemälde weniger abzubilden, mehr für sich selbst zu stehen. Materialität von Malgrund und Farbschichten rücken in den Vordergrund, während der Bildraum selbst eine immer geringere Rolle spielt. Übereinanderschichtungen zweidimensionaler Gitter und Fleckenmuster, Übermalungen sowie Farbschichten in teils grellen, teils schlammig-monochromen Farbpaletten können nur noch stellenweise als tatsächliche Abbildungen von Naturerscheinungen, wie Muster von Ästen und Blättern, gedeutet werden.
Der Höhepunkt dieser zielgerichteten Entwicklung – nämlich die Loslösung des Gemäldes von der Wand und die Verwandlung in ein skulpturales Objekt – ist durch die Retrospektive nicht dokumentiert. Doch auch das kleine Gemälde im letzten Raum, das man als freundliches Porträt eines Hundeexkrements oder als Liebeserklärung an Lehm und Gatsch deuten könnte, stellt einen guten Abschluss dar.
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