Mäandernde Messe
Der Weg der Veranstaltung schlängelte sich zuletzt durch mehrere Eigentümer- und Standortwechsel sowie Umorganisationen. Vom einstigen Hauptgeldgeber, dem (nicht sanktionierten) russischen Unternehmer Dmitry Aksenov, erhalte die Messe kein Geld mehr, betonte Geschäftsführer Markus Huber am Donnerstag – und verteidigte den zuletzt vom Standard berichteten Umstand, dass die Gesellschaft Corona-Hilfen in Höhe von knapp 1,7 Millionen Euro erhielt, obwohl Umsatzeinbußen 2020 und 2021 nicht allein auf die Pandemie zurückzuführen gewesen waren. Man habe aber Personal an Bord behalten und erachte das Geld auch als Investition für die Zukunft, so Huber.
Tatsächlich bringt die Ballung der „Viennacontemporary“ mit der Veranstaltung „Parallel Vienna“, die heuer im Otto-Wagner-Areal am Steinhof etablierte Künstler neben Newcomern präsentiert, und das zeitgleich startende Galerienfestival „Curated by“ eine große Menge an Kunstinteressierten auf die Beine und kulturaffines Publikum in die Stadt (siehe Kasten). Zur VIP-Preview am Donnerstag waren etwa Museumsfördergruppen aus Paris, Brüssel oder Istanbul angereist.
Qualität stimmt
Zwar fühlt sich der Kursalon als Rahmen der Messe immer noch an wie der Pelzmantel der Oma für die junge, hippe Enkeltochter – auch wenn die beengte Raumsituation des Vorjahres durch das erwähnte Zelt verbessert wurde. Das Angebot der Galerien, so viel lässt sich nach einem Rundgang sagen, ist aber hochwertig und abwechslungsreich – die bei vielen Kunstmessen zu beobachtende Tendenz, bekannte und gut verkäufliche „Ware“ in die Kojen zu hängen, lässt sich bei den 61 Ausstellern aus 20 Ländern nur selten konstatieren.
Viele setzen auf konzentrierte Einzelpräsentationen (z. B. Fritz Panzer bei der Galerie Krobath Wien, Ulrike Müller bei der Galerie Meyer/Kainer oder Iris Andraschek bei der Galerie 3 Klagenfurt). Manche tragen Eulen nach Athen und bieten dann doch neue Perspektiven, etwa der Frankfurter Galerist Kai Middendorff, der Zeichnungen von Bruno Gironcoli mit Gemälden von Ekrem Yalcindag kombiniert – einem türkischen Maler, der in Frankfurt bei Hermann Nitsch studierte. Die Brückenfunktion, die sich die Messe seit jeher zuschreibt, zeigt sich auch in der Präsenz von Galerien wie Volyshyn aus Kiew – der bekannte ukrainische Künstler Nikita Kadan zeigt hier Fotos und Skulpturen.
Neutralitätsdebatten
Sichtbar wird hier aber auch die hybride Identität der Kunstmesse, die sich nicht damit begnügt, eine kommerzielle Veranstaltung zu sein: Podiumsdiskussionen zum Thema „Politische Heimatlosigkeit“ am Vorabend der VIP-Eröffnung sollten laut Managerin Yana Barinova „zeigen, was eine Kunstmesse fürs Gemeinwohl tun kann“ – dass auf diesem Weg auch Signale an die öffentliche Hand gesendet werden, die nach dem Ausfall der Investments von Dmitry Aksenov verstärkt als Fördergeber gefragt ist, liegt auf der Hand.
Das von der Stadt Wien geförderte Festival „Curated by“, das Kuratoren in 24 Galerien einlädt, je eine Ausstellung zu gestalten, gab sich seinerseits das Thema „Das Neutrale“. Laut dem Theoretiker Maximilian Geymüller sei damit aber eben nicht das Teilnahmslose gemeint. Vielmehr solle der Ausstellungsreigen zu einer „Feier der Nuance“ abseits des Schwarz-Weiß-Denkens werden. Und tatsächlich ist die Nuance wohl das Wertvollste, das die Kunst zum Gemeinwohl beitragen kann.
Kommentare