"Wilhelm Tell": Eine Schweizer Legende als virtuelle Realität

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Rossinis „Guillaume Tell“ in Linz geriet musikalisch hochwertig, szenisch wählte man eine sehr eigenwillige Konzeption.

von Helmut Christian Mayer 

Eine Art Glashaus mit einem dominanten, riesigen Baumstamm, Sonnenblumen rundum, ein buntes, fröhliches und auch tanzendes Schweizer Volk: Eigentlich beginnt Gioachino Rossinis „Guillaume Tell“ am Linzer Landestheater, wo die Oper letztmalig vor 40 Jahren gezeigt wurde, recht traditionell und harmlos. 

Doch bald tauchen einzelne, seltsame, in weiße Schutzanzüge mit Kappen oder Masken gekleidete Wesen auf, bis plötzlich ein kalter und steriler Container hereingeschoben wird, wo diese nun als Masse mit Kanistern und Sprühgeräten hereinstürmen und die Ansässigen bedrohen. Frauen werden herausgezerrt, gefesselt, es wird ihnen Blut abgezapft. Der rebellierende alte Melchthal wird mit einer Spritze in den Hals umgebracht, sein Hirn aufgeschnitten, wie man auf Bildschirmen im Container, wo auch andere MRT-Aufnahmen von Köpfen und künstliche Menschen zu sehen sind. 

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Dies sind offenbar die Eroberer der Schweiz, die Habsburger, eine Mischung aus medizinischem Personal und künstlichen Menschen. Diese aktualisierte Inszenierungskonzeption hat sich Georg Schmiedleitner erdacht (Bühne:  Harald B. Thor). Eine Idee, die sich nicht erschließt und sich natürlich in keinster Weise mit Text und Handlung deckt.

Leichtigkeit und Nuancen in der Musik

Hochstehend ist hingegen die musikalische Qualität. Das Bruckner Orchester Linz unter dem souveränen Enrico Calesso weiß schon mit der populären Ouvertüre mit einer exzellenten Solocellistin aber auch sonst mit Transparenz, Leichtigkeit und reichen Nuancen zu faszinieren.

Beim Ensemble sticht vor allem SeungJick Kim mit seinem schönen, höhensicheren und kraftvollen Tenor als Arnold Melchthal heraus. Da kann der Titelheld nicht ganz mithalten, denn für Adam Kim ist die Rolle einfach zu tief und er neigt zum Forcieren. Als dessen Sohn Jemmy gefällt Fenja Lukas mit mühelosen Spitzentönen. Seine Frau Angela Simkin singt fein. Dominik Nekel (Schweizer Verschwörer) sowie Michael Wagner (alter Melchthal) gefallen mit mächtigen Tönen. Gregorio Changhyun Yun ist ein viel zu wenig böser Gessler.

Wegen einer Erkrankung, muss Camila Provenzale kurzfristig die Rolle der Mathilde von der Seite singen, was ihr achtbar gelingt, während Katharina Glas diese szenisch etwas überzogen umsetzt. Auch die vielen kleineren Rolle singen gut. Exzellent ist der viel beschäftigte Chor des Hauses zu hören. Viel Applaus!

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