Beklemmend, brisant und über die Zeiten gültig

Beklemmend, brisant und über die Zeiten gültig
Der Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“ mit Musik von Olga Neuwirth in Salzburg

von Susanne Zobl

Anlässlich der ersten Vorführung der restaurierten Version von Hans Karl Breslauers Romanverfilmung „Die Stadt ohne Juden“ im Wiener Konzerthaus stellte die Komponistin Olga Neuwirth, die dafür die Musik geschrieben hatte, im KURIER fest: „Die Mechanismen haben sich schrecklicherweise nicht geändert. Es ändern sich nur die Kleider, aber nicht die Strukturen der Macht, des Hassschürens, der Sprache. Das ist so unheimlich“

Beklemmend, brisant und über die Zeiten gültig

Beklemmend, wie die Vorführung bei den Salzburger Festspielen erkennen ließ, dass dieser Stummfilm, 100 Jahre, nachdem er zum ersten Mal eine Leinwand erhellt hatte, nichts an Brisanz verloren hat. Hugo Bettauers literarische Vorlage, die den Untertitel „Roman von übermorgen“ trägt, nahm 1922 vorweg, was durch die Nazis barbarische Wirklichkeit wurde. Man muss jedoch nicht viel deuten, um dieses „übermorgen“ auf unsere Gegenwart zu beziehen. Inspiriert vom grassierenden Antisemitismus in Wien imaginierte der Autor, wie per Gesetz alle jüdischen Menschen vertrieben werden und die Stadt daraufhin im totalen wirtschaftlichen Niedergang versinkt.

Der Vertriebene Leo Stakosch ersinnt eine List, damit die Juden zurückkehren können und er seine Verlobte heiraten kann. Bittere Ironie der Geschichte: Ausgerechnet der Darsteller des jüdischen Retters, Johannes Riemann, trat 1933 der NSDAP bei und nahm 1939 den Titel Staatsschauspieler an.

Der Aufführung in der Szene Salzburg war gleichsam als Ouvertüre das verstörende Werk eines wirklich Vertriebenen vorangestellt: „Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben“ von Hanns Eisler. Mit diesen aufwühlenden Variationen stimmte ein Ensemble aus der Formation Phace auf Breslauers Lichtspielkunstwerk ein.

Neuwirths Komposition ist akkurat mit jeder Szene abgestimmt. Nacho Paz führt die Formation Phace ganz im Einklang mit dem Geschehen auf der Leinwand. Die elektronischen Einspielungen, wie verfremdete Jodler, Heurigenlieder, die prägnante Stimme von Hans Moser inklusive, ergänzen genuin den Klang des Orchesters. Absolute Zustimmung.

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