Gondelfahrt auf den Olymp: Zwei Operettenklassiker beim Lehár Festival

Von Helmut Christian Mayer
„Die Operette lebt“: So restlos überzeugt gibt sich Intendant Thomas Enzinger bei seiner Begrüßung vor Beginn der Premiere von „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauss im Kongress & TheaterHaus Bad Ischl.
Und tatsächlich ist die Neuproduktion der Operette im Jubiläumsjahr des Komponisten beim 65. Lehàr Festival als gelungen zu sehen. Denn beim laut Eigenwerbung „größten Operetten-Festival Europas“ wird nicht dekonstruiert oder krampfhaft aktualisiert, sondern klar erzählt. Wobei durchaus auch darauf hingewiesen wird, dass der Plot nicht mehr allzu zeitgemäß ist.
So wird im einfachen, gemalten Bühnenbild (Stefan Wiel) mit vielen abgebildeten Masken, einigen blauen Stoffbahnen und raffinierten Lichtstimmungen venezianisches Flair erzeugt.
Lustvolles Maskenspiel
Die Kostüme (Sven Bindseil) wirken recht überzogen. Von Anfang wird die Inszenierung durch eine fast omnipräsente, sechsköpfige Balletttruppe aufgemotzt, die hinreißend tanzt (Choreographie: Evamaria Mayer) und die Rasanz der Regie von Wolfgang Dosch, der auch noch wegen kurzfristiger Erkrankung auch noch den Makkaroni Koch Pappacoda teils mit Sprechgesang mimen muss, noch verstärkt.
Mit viel Drive und Witz wird beim lustvollen Maskenspiel, bei dem für eine Nacht soziale und amouröse Grenzen überschritten werden, spielfreudig mit so manchem Augenzwinkern agiert, ohne ins Kitschige abzugleiten.

Dafür sorgt auch ein vitales und stimmlich gutes Ensemble: Matjaž Stopinšek als zwar optisch etwas in die Jahre gekommener Herzog Guido von Urbino singt diesen mit schön geführtem Tenor und allen Höhen. Tina Jaeger hört man als heftig umworbene Anina mit feinem Sopran. Yichi Xu ist ihr Geliebter Caramello, teils schwer verständlich, aber mit idealem Tenor, dem Strauss mit dem Gondellied einen Höhepunkt in die Kehle gelegt hat.
Marie-Luise Engel-Schottleitner gefällt als quirlige, leichte, soubrettenhafte Zofe Ciboletta. Da fällt „Senator“ Erich Langwiesner zwar nicht mit Witz, aber stimmlich mit bloßen Sprechgesang doch ziemlich ab.
Das Lehár-Orchester unter Marius Burkert musiziert schwungvoll. Auch das sehnsuchtsvolle Flimmern und Glitzern der eingängigen, hochromantischen Musik vernimmt man ebenso wie die unbeschwerte Heiterkeit.
Modernisierter „Orpheus“
Einen gewaltigen Modernisierungsschub hat der selbst inszenierende Intendant Thomas Enzinger Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ verpasst – in der zweiten großen Produktion beim diesjährigen Festival mit er zusätzlich auch noch den Styx. Was ja durchaus legitim ist, denn auch Offenbach und seine Librettisten karikierten immer aktuelle Vorgänge der damaligen Zeit.
Nur manchmal wird der Witz übertrieben und die Handlung in den bunten, gemalten Kulissen und den überzogenen Kostümen (wieder Wiel und Bindseil) wird zu sehr verulkt. So sitzen die Götter völlig gelangweilt in der olympischen Sauna. Jupiter versucht das Image mit einem Jupi-Mobil mit eigenen Merchandise-Artikeln und den Sprüchen „Make Olymp great again“ aufzupolieren. Auch eine gegen ihn abgehaltene Demonstration mit Sprüchen „Wir hassen Ambrosia“ findet statt.

In der für Bad Ischl eigens erstellten Mischfassung (Spielfassung von Jenny W. Gregor und Thomas Enzinger) gibt es auch jede Menge neue, aktualisierte teils bemüht wirkende Dialoge.
Mit ansteckender Spielfreude agiert das Ensemble auch rund um den Orchestergraben, aus dem das Brüderpaar Jupiter und Pluto hervorsticht. Martin Achrainer ist ein stimmlich und szenisch sehr präsenter Obergott, der jedoch ständig von seiner Gattin Juno (mit kleiner Stimme: Eva Schneidereit) gemaßregelt wird.
Jupiter kann aber auch als verkleidete Fliege, mit der er Eurydike verführen will, mit viel Komik reüssieren. Peter Bording ist ein dämonischer und kraftvoller Gott der Unterwelt. Robert Bartneck singt den Titelhelden solide, Eurydike wird von Jeanette Wernecke koloraturenrein gesungen. Lukas Karzel als Merkur muss auch einen Rap hinlegen. Philip Guirola Paganini ist ein quirliger Cupido.
Tadellos und spielfreudig ist wieder der Chor. Unterfüttert wird alles wieder von der quirligen Choreographie (Lukas Ruziczka) des sehr präsenten Balletts, insbesondere beim berühmten Can-Can, bei dem zum Finale nochmals alle mittanzen.
Mit Spritzigkeit und Delikatesse ist wieder das Lehár Orchester unter Laszlo Gyüker zu vernehmen. Jubel für beide Aufführungen!
Vorstellungen bis 24. 8. 25., Infos: www.leharfestival.at
Kommentare