Der Wettlauf zur Suppenschüssel: Palais Liechtenstein zeigt Porzellan

Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein zögerte nicht, einen Vergleich zu den tagesaktuellen Verwerfungen an den Finanzmärkten und zur politischen Weltlage zu ziehen: Das Wetteifern zwischen China und dem Westen um ein besonders wertvolles Produkt, Handelsbeschränkungen, Vorwürfe von Industriespionage – all das finde sich auch in der aktuellen Ausstellung seines Hauses, sagte der Sohn und Thronfolger von Fürst Hans-Adam II. am Mittwoch vor Journalisten in Wien.
Tatsächlich geht es in der Schau „Wunder und Wissenschaft“, mit der das Liechtensteinsche Gartenpalais in der Rossau heuer wieder für zwei Monate Publikum bei freiem Eintritt empfängt (bis 30. 3., täglich 10-18 Uhr, Eintritt frei), um mehr als nur um Porzellan. Das Zusammentreffen eines neu erwachten Forschergeistes mit höfischer Fest- und Repräsentationskultur, Moden und „Hypes“ des Barockzeitalters und der Austausch von Ost und West sind ebenso Thema der prächtigen Schau wie ein Stück Wiener Lokalgeschichte: Befand sich doch die 1718 gegründete Wiener Porzellanmanufaktur in direkter Nachbarschaft des Palais und gab auch der hier verlaufenden Porzellangasse ihren Namen.

Spionage
Der Wettlauf um das „weiße Gold“, das zunächst nur als sündteure Importware aus Fernost in Europa verfügbar war, ist ein Wirtschaftskrimi, und wie heute spielten dabei politische Bestrebungen, die Produktion „ins Land zu holen“, eine Rolle.
Nachdem die Alchemisten Böttger und Tschirnhaus 1709 in Dresden die Herstellung von Porzellan entschlüsselt hatten, gelang es dem Unternehmer Claudius Innocentius Du Paquier, Spezialisten mit ihrem Geheimwissen von dort abzuwerben. Die Wiener Porzellanmanufaktur war (nach jener in Meißen) die zweite in Europa, die Familie Liechtenstein einer ihrer wichtigen Kunden.
Die von Sammlungsdirektor Stephan Koja, Claudia Lehner-Jobst und Iris Yvonne Wagner konzipierte Ausstellung beschränkt sich aber nicht darauf, die Preziosen der fürstlichen Sammlungen in Vitrinen zu stellen: Gemeinsam mit Zeichnungen, Gemälden, Möbeln und wissenschaftlichen Objekten versucht die Schau, ein Gefühl für den exquisiten Lebensstil der Zeit und die Rolle des Porzellans darin zu schaffen. Immer wieder gelingen dabei an den Wänden des Palais schöne Tableaus: etwa die Konstellation von Vasen, zwei Lackschränken und einem prächtigen Wandteppich, auf dem eine "Teezeremonie" als Picknick-Szene vor einem Regal voller blau-weiß glasierter Porzellangefäße dargestellt ist.

Heiße Ware
Es war nicht unwesentlich, dass Tee, Kaffee und Trinkschokolade in etwa gleichzeitig mit dem Porzellan-Hype des 18. Jahrhunderts in Mode kamen, erklärt Kuratorin Lehner-Jobst beim Rundgang durch die Schau. Der Konsum der Heißgetränke in den Gefäßen verschmolz mit neuen Ritualen zu einem sinnlichen Rundum-Erlebnis – und die für ihre überschwänglich-fröhliche Ästhetik bekannten, als Unikat gefertigten Erzeugnisse der Wiener Manufaktur wussten dieses Gefühl einzufangen.

Wo die Grenze vom Gebrauchs- zum Kunstgegenstand verläuft, ist dabei nicht immer klar: In den letzten zwei Sälen der Schau begegnen Stücke, deren Bildausstattung auch einem Kupferstichkabinett zur Ehre gereichen würde – und doch wurden viele Objekte auch für Suppen und Würzsaucen verwendet. Dass sie als „Konversationsstücke“ auch die Gespräche bei Tisch würzten, ist eine anregende und durchaus zeitgemäße Idee: Man wird seine Sojasauce nach dieser Ausstellung anders zu seinem Sushi gießen.
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