Erleuchtung im Labor der Künste: Albertina zeigt Brigitte Kowanz

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Die erste posthume Retrospektive der 2022 verstorbenen Künstlerin kehrt die Strenge und Klarheit eines großen Werks hervor.

Es passiert eher selten, dass man in einem Museum dazu aufgefordert wird, ein Kunstwerk mit Blitzlicht zu fotografieren. In der Basteihalle der Albertina soll man das nun vor vier Tafeln explizit tun: Erst dann treten die Balken und Kreise wirklich aus den mit einem reflektierenden Textil bespannten Aluplatten hervor, und die Werktitel (übersetzt: „Licht bleibt nie bei sich/kennt keinen Ort/ständig in Veränderung/mit seiner Umgebung“) werden sichtbar.

Besucherinnen und Besucher werden in der ersten posthumen Werkschau von Brigitte Kowanz , die ohne direkte Beteiligung der 2022 verstorbenen Künstlerin entstand, trotzdem viel (und meist hoffentlich ohne Blitz) fotografieren: Die für Kowanz so typischen verspiegelten Kästen, in denen sich Neon-Muster scheinbar ins Endlose wiederholen, fordern die von Instagram- und Selfie-Kultur konditionierten Reflexe unweigerlich heraus.

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Doch die Ausstellung  (bis 9. 11. 2025) stellt unmissverständlich klar, dass Kowanz’ Kunst von den populären, „immersiv“ genannten Spektakeln und der auf Effekte schielenden Lichtkunst, wie sie etwa das niederländische „Studio Drift“ praktiziert, weit entfernt ist. Dass ihre Kunst dennoch spektakulär sein kann – und Kowanz technische Entwicklungen selbst stets interessiert verfolgte – steht dazu in keinem Widerspruch.

Philosophisches Forschen

Dem Wesen nach war die Arbeit der Künstlerin aber eine Suche nach Prinzipien, nach klaren und gültigen Aussagen – vergleichbar mit jener der Theorie und Philosophie.

Kowanz’ Werke – anfangs Gemälde und Objekte, später Spiegel-Arrangements und experimentelle Anordnungen in Schwarzlichträumen – erfüllten oft die Funktion kleiner Käfige oder Petrischalen, in denen Forscher das Objekt ihres Interesses zu fangen und zu isolieren suchen: Bei Kowanz ging es um das Wesen des Lichts, das Dinge erst sichtbar macht, selbst aber nur sichtbar wird, wenn es auf Dinge trifft.

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Die Albertina-Schau, die Kuratorin Angela Stief gemeinsam mit Adrian Kowanz, dem Sohn und Nachlassverwalter der Künstlerin, gestaltete, führt in einer repräsentativen Weise in die Überlegungen ein, eine klare Raumordnung und eine relativ helle Ausleuchtung betont das Laborhafte und hält das Mystisch-Atmosphärische hintan.

Zweierlei Licht

Wobei Albertina-Chef Ralph Gleis eine Verbindung zwischen dem physikalisch zu analysierenden Licht und dem mitunter als göttlich verstandenen Licht der Erkenntnis betont: Aus kunsthistorischer Sicht befände sich Kowanz hier in einer Tradition, die über Impressionisten und Alte Meister bis zu gotischen Kathedralen zurückführe.

Wie alle gute Kunst hält Kowanz’ Oeuvre eine Kontextualisierung aus vielen Perspektiven nicht nur gut aus – es fordert diese heraus. Die in einem Kabinett platzierten Werke der 1980er erzählen von der Abgrenzung zur damals angesagten „Neuen Malerei“ und dem Interesse an Bild-Objekt-Kombinationen (es gibt ein fluoreszierendes Katzenbild und ein Objekt mit einer am Rahmen balancierten Zitrone.) Die „großen Fragen“ sind da schon angelegt, einige Polaroids, von Adrian Kowanz aus dem Nachlass gefischt, zeugen von der durchgehenden konzeptuellen Strenge der Künstlerin.

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Das reife Werk, in dem sich Kowanz mit dem Verhältnis von Licht, Schrift und Sprache befasste und Morsecodes, aber auch Abkürzungen („asap“) einfließen ließ, ist frisch wie eh und je.

Mit dem Ausloten von Grenzbereichen des Sagbaren und Erfahrbaren schrieb sich Kowanz dabei in eine analytische Tradition ein, die von Ludwig Wittgenstein bis zur „Wiener Gruppe“ führt – und das Werk auch in Wien verortet. Die Schau lässt einen mit dem Wunsch zurück, dass noch viele Ausstellungen sich diesem etwas unterrepräsentierten Feld heimischer Kunstgeschichte widmen mögen – und dass Kowanz’ Werk auch international jene Anerkennung erfährt, die ihm gebührt.

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