Koskys unterhaltsame Zaubertröte

Gewiss ist es herausfordernd, die meistgespielte Oper nach 220 Jahren neu und klug zu inszenieren. Da ist die Versuchung zum Experiment übermächtig, besonders für hyperaktive neue Theaterdirektoren wie Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin. Seine stolz präsentierte "sechste Premiere in zweieinhalb Monaten" machte die " Zauberflöte" zur hektischen Stummfilm-Parodie – und musikalisch zum Provinzereignis.
Kosky inszeniert Mozarts Oper auf bühnenfüllender Leinwand direkt hinterm Vorhang. Wie im Adventskalender klappen aus Fenstern die Sänger aus, von denen manche kongenial und technisch trickreich mit den Filmbildern interagieren. Die sind aber nicht nur die des Stummfilms, der viel zu selten Momente Opern-typischer Emotion vermittelt. Es ist vor allem ein Comicstrip, den die britische Gruppe "1927" der Schauspielerin und Sängerin Suzanne Andrade gestaltet, die "zuvor die Zauberflöte nicht kannte".
In der Ästhetik des alten Beatles-Trickfilms Yellow Submarine zappeln, fliegen, flirren, wabern und blinken fast pausenlos Viecher und Fabelwesen. Sarastro ist Scrooge, die Königin der Nacht eine Riesenspinne, Tamino ein blasser Stummfilm-Valentino, Monostatos Dr. Mabuse. Der Buster-Keaton-Papageno von Dominik Königer (bester Sänger des Abends) braucht hier auch keine Flöte mehr, alles ist hektisch, krampfhaft witzig, eine zweidimensionale, schrille Revue: Die Zaubertröte.
Arm, aber sexy
Und Bild erschlägt Ton – die große Kosky’sche Versuchung. Das musikalische Niveau war vor allem im ersten Akt einer Hauptstadt-Oper kaum würdig. Der neue Chefdirigent des Hauses, Henri Nánási, kämpfte mit Lautstärke gegen die Bilderflut und ließ die jungen Sänger allein. Das Berliner (Premieren)Publikum, das alles außer der Norm per se schon gut findet, belachte jeden Mini-Gag und dankte für die leichte Unterhaltung mit Jubelapplaus.
Damit machte Kosky seinem (anwesenden) Schutzherrn, Bürgermeister Klaus Wowereit und dessen Slogan vom Berlin, das "arm, aber sexy" sei, alle Ehre. Der gilt ab jetzt wohl auch für das Niveau von Mozart-Opern in der deutschen Hauptstadt.
KURIER-Wertung: **** von *****
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