Konzerthaus-Chef ist "zuversichtlicher"
Das Wiener Konzerthaus ist bankrott." Mit diesem Satz hat der neue Chef, Matthias Naske, kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen September für Aufsehen gesorgt. "Im Herbst war ich unter Druck, weil ich der betrieblichen Realität erstmals ins Auge sehen konnte", sagt Naske jetzt.
Warum er inzwischen "zuversichtlicher als noch im Herbst" ist, schildert Naske im KURIER-Interview.
KURIER: Es geht derzeit rund in der Wiener Kultur. Haben Sie bereut, zurückgekommen zu sein?
Matthias Naske: Gar nicht. Es ist eine unglaublich stimulierende Stadt. Ich glaube an die Rolle der Kultur, und dafür werde ich kämpfen. Es ist einiges zu tun. Mir tun die Skandälchen und Skandale sehr weh, weil sie ein Bild eines Metiers geben, das zu Vorurteilen führt.
Des Öfteren merkt man eine gewisse Entfremdung zwischen Kultur und Publikum. Muss man sich als kulturelle Institution verändern, um dem Publikum gerecht zu werden?
Man muss Angebote schaffen, die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit wahrnehmen können. Wir machen unseren Job gut, wenn sich Menschen bewusst werden, welch ungeheures Potenzial in dieser Musik steckt. Dafür muss man nicht Dur von Moll unterscheiden können. Die Institution darf nicht in einem bürgerlichen Bild stehen bleiben. Und Institutionen müssen Risiken tragen, sonst sind wir glatt wie Ölsardinen.
Obwohl gegen das Risiko oft die wirtschaftliche Realität steht – gerade im Konzerthaus, Stichwort: Bauschulden.
Ich baue darauf, dass es gelingen wird, diese wirtschaftliche Realität in den Griff zu bekommen. Ich habe viele Schwierigkeiten und viele Sorgen. Aber ich habe auch, auf der anderen Seite, durch einen beginnenden Dialog mit den Wiener Gebietskörperschaften die Hoffnung, dass sich etwas bewegen wird.
Auf "beginnenden Dialog" haben schon Ihre Vorgänger gesetzt. Gibt es Konkreteres?
Es ist mit Kulturminister Josef Ostermayer für das laufende Jahr 2014 eine finanzielle Vereinbarung getroffen worden, die uns ein bisschen mehr Spielraum gibt. Die Stadt Wien wird hoffentlich nachziehen.
Haben Sie da schon eine Zusage?
Die Stadt hat die Subvention vor 17 Jahren eingefroren und nicht einmal die Inflation ausgeglichen. Die Schulden aus der Generalsanierung wurden weitgehend abgebaut, von 13,8 Millionen auf 6,4 Millionen. Auf denen sitzen wir jetzt – und wir haben keine freien liquiden Rücklagen. Wir leben von der Hand in den Mund. Das ist keine angenehme Situation. Ich glaube, dass das nicht unserem kulturpolitischen Stellenwert entspricht. Unser neuer Vorstand ist wild entschlossen, diesen Zustand zu ändern. Ich bin überzeugt, dass es uns gelingen wird. Es geht auch ums kulturelle Leben dieser Stadt.
Gibt es einen Plan B?
Ich möchte, dass wir uns nicht weiter kommerzialisieren. Wenn es nur das wäre, dann kann ich diesen Betrieb sogar unter gleich bleibender Subvention sanieren. Nur: Dann bleibt kein Stein auf dem anderen. Ich müsste von 500 auf 100 Veranstaltungen reduzieren und ausschließlich sehr hohe Kartenpreise verlangen. Es würde ein Kahlschlag an Qualitätsverlust sein. Ich möchte, im Gegenteil, unsere Relevanz für die Menschen ausbauen. Und hoffe, dass die Politik mitzieht. Wenn Sie jetzt sagen: Alle anderen vor Ihnen haben auch gehofft, dann haben Sie recht. Und trotzdem tu ich’s. Ich bin nicht nach Wien zurückgekommen, um hier zu resignieren.
Der 100. Geburtstag des Konzerthauses und ein neuer Chef, das wären zuletzt zwei gute Gelegenheiten gewesen, die Subvention zu erhöhen.
Ich nehme es gerne auch im 101. Jahr. Wenn es mir in den nächsten zwei, drei Jahren nicht gelingt, dann muss die Institution ihre Schlüsse daraus ziehen und einen geordneten Rückzug aus der Vielfalt antreten. Aber ich glaube nicht, dass wir das müssen.
"Was mich in dieser Stadt fasziniert, ist die Vielfalt der Menschen“, sagt Matthias Naske. Und dieser Vielfalt soll das Musikprogramm entsprechen. Es erstreckt sich von hochklassigen Orchesterkonzerten über ungewöhnliche Sparten-Kombinationen („Gemischter Satz“) bis hin zu neuen Ideen dazu, wie Menschen heute ein Konzert konsumieren.
So gibt die „Fridays@7“-Konzerte mit früherem Beginn die Gelegenheit, noch „den ganzen Abend vor sich zu haben“. Zeitgenössische Töne von Schlagzeuger Martin Grubinger werden mit der Sportform des Freerunning kombiniert (Naske ist „selber gespannt“).
Natürlich gibt es auch eine Vielzahl an großen Namen, zentral sind vier davon: Matthias Goerne, Patricia Kopatchinskaja, Georg Breinschmid und Robin Ticciati. Eine „neue, starke Allianz“ gibt es mit den Wiener Symphonikern, einen Zyklus mit den Philharmonikern. Aber keine konzertante Oper – „weil ich es mir nicht leisten kann“, sagt Naske.
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