Komische Oper: Kosky geht's quirlig an

Berlin ist nach Wien eine große Erleichterung für mich", ätzt Schnellredner Barrie Kosky, 45. Sein abendliches KURIER-Interview im US-Sitcom-Hemd statt in typischem Berliner Intellektuellen-Schwarz startet mit Bernhard’schen Tiraden auf Wien: Da nehme man alles persönlich und trage ihm trotz vieler Erfolge am Schauspielhaus und woanders den "missglückten Lohengrin" an der Staatsoper nach. "Meine künstlerische und persönliche Klaustrophobie in Wien war zuletzt unerträglich", klagt Kosky, als Jude spüre er da den "Antisemitismus im Leitungswasser". Berlin sei "kosmopolitischer und viel leichter zum Arbeiten".
Quirlig
Mit vielen berlinerischen "Hör ma!" geht Kosky seine erste Opernintendanz so quirlig an wie seine bisher meist erfolgreichen "KO"- Inszenierungen. Vorgänger Andreas Homoki hatte ihm seine erste Opernregie ermöglicht – und nun die Nachfolge, da er selbst Alexander Pereira in Zürich beerbt.
Homokis zehn Jahre waren gemischt: Bis 2007 führte der Deutsche die KO zum "Opernhaus des Jahres". Danach entfremdete er es aber von Publikum und Kritik mit zu viel schwachem Regietheater. Die Abschlussnoten reichen von "Deutschlands zentralem Haus für Musiktheater- Provokation" ( Berliner Zeitung) bis zur "letzten DDR-Bühne" (Die Welt).
Deren Relikt des strikten Deutsch-Singens schafft Kosky ab. Ansonsten führt er den Weg vom Gründer, dem Wiener Walter Felsenstein, bis Homoki fort: "Wir brauchen eine klarere Identität, noch mehr Abgrenzung von den anderen zwei Häusern Berlins. Unsere Stärke ist das zusammen gewachsene Ensemble". Er wolle ein "noch breiteres Spektrum: Schon in den ersten zwei Spielzeiten kommen neun neue Regisseure. Die größten Erfolge hatten wir, wenn wir was Besonderes gemacht haben."
Salzburger Co-Chefin
Der Auslastung tat das allerdings nicht so gut. Homokis Schnitt lag um die 65 Prozent, was auch im Subventions-Giganten Berlin langsam kritisch wird. Kosky will in seiner ersten Saison 70 Prozent schaffen. Ein guter Vorverkauf und seine am Haus bleibende Co-Chefin Susanne Moser aus Salzburg helfen dabei.
Kosky setzt auf die "Balance von Bekanntem und Stücken, die andere nicht spielen". Wie seine zweite Premiere "American Lulu" der österreichischen Komponistin Olga Neuwirth: "Die wendet sich an ein ganz spezielles Publikum." Origineller als dieser an vielen Häusern übliche Mix ist sein Forcieren von Operetten und Musicals: "Wir machen nicht Wiener Operette und nicht die Volksoper von Berlin, sondern Jazzoperette von Paul Abraham bis Irving Berlin".
Für Koskys "umfassendes Musiktheater" steht programmatisch die erste, auch von ihm inszenierte und lange geprobte Mega-Premiere: Drei Monteverdi-Opern an einem Sonntag. "Jede ist anders bearbeitet. Monteverdi ist die DNA der Oper."
Auch damit freut sich die deutsche Kritik auf Koskys Intendanz. Und er auf sie: "Bei mir geht man in eine Premiere nach der anderen – und jedes Mal in eine ganz andere Welt. Hör ma: Spannend muss es sein!" Aber eher kein Wagner.
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