Kino: Jetzt darf auch China die Welt retten

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Die neuen Machtverhältnisse im Kino: "The Great Wall" von Zhang Yimou als US-chinesischer Blockbuster.

Ein chinesisches Sprichwort besagt: Die Blume steht zwar diesseits des Zauns, ihr Duft wird aber nur jenseits davon wertgeschätzt.

Dieses Sprichwort sagt auch einiges über die Wechselwirkung der chinesisch-amerikanischen Filmwirtschaft aus. Im Zeichen der expansiven Globalisierung streckt Hollywood bereits seit Jahren die Fühler nach Asien, insbesondere nach dem lukrativen Markt Chinas aus. Im Vorjahr verzeichnete die Volksrepublik mit knapp eineinhalb Milliarden verkaufter Kinokarten einen Rekord. Mehr als ein Drittel der Summe spielten importierte Filme ein – allen voran Science-Fiction-Titel und Actionfilme aus Hollywood.

Jyn Erso, die Heldin des neuen "Star Wars"-Films, trägt sicherlich nicht zufällig einen chinesisch klingenden Namen. Im Reich der Mitte, das hat sich längst auch in Hollywood herumgesprochen, winkt das große Geld.

Unglaubliche 22 neue Leinwände öffnen zwischen Shanghai und Urumqi – beinahe jeden Tag. Und die wollen bespielt werden. Ausländische Produktionen dürfen nur in begrenzter Menge im Land gezeigt werden, dafür sorgt die chinesische Zensur.

Da ist eine Produktion wie "The Great Wall", die in China spielt, aber mit einem waschechten Hollywood-Star in der Hauptrolle lockt, nur konsequent. Dass ein Weißer die Hauptrolle spielte, sorgte im Vorfeld für einige Diskussionen: Von "White washing" war da die Rede.

Zugpferd

Matt Damon ist jedenfalls im ersten chinesisch-amerikanischen Blockbuster das Zugpferd, um das Weltpublikum für Chinas Film in die Kinos zu locken. Denn nur darum geht es. Der Koproduzent und neue Besitzer der amerikanischen "Legendary Pictures", Wanda-Chef Wang Jianlin, ist inzwischen zum größten Kinokettenbetreiber der Welt geworden, von dem auch Hollywoodstudios abhängig sind. Der chinesische Unternehmer, der als einer der reichsten Männer Chinas gilt, hat vor einigen Monaten auch die Produktionsfirma der Golden-Globe-Shows für eine Milliarde Dollar gekauft und damit seinen Einfluss in Hollywood ausgeweitet.

Wang besitzt darüber hinaus in Peking das derzeit größte Filmstudio der Welt, in dem in Zukunft noch mehr Hollywoodfilme gedreht werden sollen. Derlei Investitionen werden wahrscheinlich das Misstrauen des designierten Präsidenten Donald Trump gegenüber Hollywood noch weiter verstärken.

"The Great Wall" nun wurde in China gedreht, auf Englisch, von einem chinesischen Regisseur und US-amerikanischen Produzenten. Ein perfektes Produkt also, um sich an den chinesischen Einspielergebnissen beteiligen zu können.

Angekündigt wurde die rund 150 Millionen Dollar teure chinesisch-amerikanische Koproduktion, das jüngste Produkt von Regisseur Zhang Yimou, als "der größte jemals in China für den internationalen Markt hergestellte Film".

In China sind es vor allem die jungen Männer, die das Medium für sich entdeckt haben. Und die wollen kein politisch korrektes Historienkino, sondern Action. Ein Elite-Heer soll in "Great Wall" die Chinesen gegen mythische Monster verteidigen, die jenseits der Großen Mauer lauern. Dass damit eine gehörige Portion an chinesischem Nationalpathos einhergeht, ist absehbar.

Zhang Yimou, der Regisseur des in jeder Hinsicht exorbitanten Spektakels, ist im Westen seit seinem Gewinn eines Goldenen Bären für "Rotes Kornfeld" im Jahr 1988 zum fixen Begriff geworden Zhang Yimou hielt damals – die goldene Trophäe stolz in die Höhe gereckt – die wohl längste Dankesrede in der Geschichte der Berlinale. In chinesischer Sprache, ohne jegliche Übersetzung.

Für China war "Rotes Kornfeld" der erste Festivalerfolg im Westen überhaupt und er war vielleicht deshalb einigen Kulturbürokraten in Peking nicht geheuer. Danach machte die Zensur Zhang Yimou das Leben schwer und er galt in der Folge lange als Regimekritiker. Als Zhang 1994 beim Festival von Cannes einen Preis für "Leben!" entgegennehmen sollte, bekam er keine Ausreisegenehmigung.

Verbotene Stadt

Dieser Bann dauerte an, bis der Regisseur sich dazu entschloss die "Turandot" nach Hause bringen. Er inszenierte die Oper in der Verbotenen Stadt – und mit einer ganzen Kompanie dafür abgestellter Volkspolizisten als Statisten. Dass Zhang Yimou just zu diesem Zeitpunkt kultureller Nationalheld der Volksrepublik wurde, bezeichnete er als "Zufall" – so wie auch den Auftrag der Regierung, das Eröffnungsspektakel der Olympischen Spiele 2008 in Peking zu inszenieren.

Dass "The Great Wall", an dem rund 3000 Mitwirkende beteiligt waren, in Englisch gedreht wurde, bereitete Zhang Yimou, der trotz internationaler Erfolge nur Chinesisch spricht, Schwierigkeiten. Bis zu 100 Übersetzer waren während der Dreharbeiten im Einsatz.

Auf der Pressekonferenz zum Filmstart in Peking meinte Zhang: "Endlich haben wir einen Film gemacht, in dem China die Welt rettet." Fragen der Journalisten waren nicht vorgesehen, um keine heiklen Themen wie etwa die Filmzensur zur Sprache zu bringen.

(Von Gabriele Flossmann)

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